Wo man hinschaut:
Gschaftlhuber

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 23/2023 zum 7. Juni 2023

Liebe Frau Andrea,
mein pensionierter Vater kommentierte jüngst beim Family-Grillabend die Analyse-Offensive zu den aktuellen Selbstfindungsprozessen der Sozialdemokratie mit dem Spruch, das sei jetzt die große Stunde der Gschaftlhuber. Der Begriff gehört zu seinem Lieblingsvokabular (und dem seiner Freunde), wen meint er denn da genau?Beste Grüße,
Klaus Oprschal, Neubau, per Email

Lieber Klaus,

in meinem Florilegium „Wien wirklich“ widme ich dem Gschaftlhuber ein ganzes Kapitel. Ein Wesen, wundgetaumelt zwischen Obrigkeit und kleinem Mann, ohnmächtig, aber umtriebig, dumm, aber beredt, verloren aber präsent. Ohne den Gschaftlhuber und seine flatternde Expertise lägen Stadt und Staat, die Medien, der Diskurs darnieder. Intentional ist er dem Mansplainer verwandt, handwerklich dem Dilettanten.

Wenn Große nach Kataklysmen darniederliegen, kraxelt der Gschaftlhuber auf ihnen herum, stochert nach Weisheiten und bläst sie zu Ballonen auf. Wenn er plant, verrutschen dem Gschaftlhuber die Dimensionen. Dann hält er Fläche für Raum, Umfang für Inhalt, Peripheres für zentral. Der Gschaftlhuber ist das Problem, für dessen Lösung er sich hält. Eigenes Leid befällt den Gschaftlhuber selten. Als Optimismusakrobat ist der Umtreiber zudem von den Schatten der Selbstzweifel unbehelligt.

Im Wirken des Gschaftlhubers verbindet sich falsche Erotik mit vermeintlicher Strahlkraft. Elemente der Verführung paaren sich mit komödiantischer Selbstinszenierung. Der Gschaftlhuber kümmert sich um alles, natürlich nur in Worten, auch um Dinge die ihn nichts angehen, besonders jedoch um solche, von denen er nichts versteht. Gemeinhin arbeitet der Gschaftlhuber als Soloartist mit eigenem Vortrag. Handwerklich ist er dem Hochstapler verwandt, technisch dem Heiratsschwindler, spirituell dem Troll, nur selten aber rührt er an den Macher.

Der Gschaftlhuber liebt nicht, er will geliebt werden. Er treibt sich in den Glossen der heimischen Holzmedien herum, am liebsten aber saust er elektrisch, vorzugsweise auf Twitter.


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