Wie bös ist harb?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 17/2023 zum 26. April 2023

Liebe Frau Andrea,
obwohl ich äußerst friedliebend bin, gibt es doch jemand, mit dem ich „hab“ bin. Jetzt weiß ich allerdings nicht ganz genau, ob dieses Wort meinen Zustand richtig beschreibt. Ist „hab sein“ ein Synonym für „bös sein“? Glaub ich nicht! Böse zu sein ist schon um einiges böser, als hab zu sein. Aber was ist es genau und woher kommt es?Sind Sie mir bitte nicht hab ob meines Mails!
Manfred Eckhart, per Email

Lieber Manfred,

diese Kolumne blieb bisher von Unmutsbekundungen verschont. Auch die Schicksalgemeinschaft der Wutleser und Zornposter fand in über zwanzig Jahren kontinuierlicher Arbeit am Welt- und Wienverstehen keinerlei Gefallen an Bosheiten. Hier ist Ihnen schon deswegen niemand „harb“.

Nach wienerischem Verständnis sprechen wir die gefragte Vokabel „haab“, „háb“, „haw“ aus und schreiben sie „harb“. Kommt sie doch von mittelhochdeutsch har(e), her(e), härwe, herwe und ist damit sprachgeschichtlich ident mit hochdeutsch „herb“. Nach Auskunft der Etymologen und Befragen der Spezialliteratur bedeutete das Wort ursprünglich soviel wie scharf, scheidend, beißend, und damit alles was man im Rahmen von metaphorischem Sprachgebrauch so bezeichen konnte.

Das Bairische und damit auch das Österreichische, und hier speziell das Wienerische verwendet harb so gerne wie vielfältig. „Sei ned harb auf mi“ bedeutet trotz Ihrer gegenteiligen Annahme „sei nicht böse auf mich“. Im Fiakerlied rühmt sich der Kutscher seines schwarzen Gespanns mit der bekannten Zeile „I fia zwa haabe Roppm“, ich führe zwei harbe (scharfe) Rappen. Die scharfzüngige Frau nennt das Wienerische „a harbe Godl“, zum schneidigen Spaß gehts nach in Nußdorf raus, denn da „is a Hetz, a Gstanz, do sing ma hawe Dants“. Ähnlich wie die hawe, harbe Musi (die scharfe, mitreißende Musik) sind hawe Dants (herbe Tänze, soviel wie fesche Wienerlieder) energiegeladene, bewunderte Lebensäußerungen.

In Zusammenschau seiner Bedeutungsbreite ist also harb nicht identisch mit böse. Die oben erwähnte „harbe Godl“ ist die resolute, temperamentvolle, und damit bewundernswerte Frau. Harb aber herzlich. 

Hawedere.


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5 Gedanken zu „Wie bös ist harb?“

  1. sehr geehrte frau dusl,

    darf ich sie wieder einmal mit einer beckmesserei behelligen?
    es geht um das zitat. „do sing ma hawe dants“. sie schrieben ganz zu recht, dass mit dants lieder gemeint sind, bringen aber im klammerausdruck doch die hochdeutsche ableitung herbe tänze. die weana dants haben mit tanzen nichts zu tun. tanzen wäre auf wienerisch als daundsn auszusprechen. die dants mit dem hellen, offenen a werden gesungen. sie sind mit den gstanzln verwandt (dasselbe offene a) und die wiederum leiten sich von den stanze, italienischen vierzeilern, ab. die stanza, eigentlich eine kammer, wurde mit ihren vier wänden zum bild des vierzeilers. das wienerische dants ist also eindeutig der sprache und nicht dem tanz zugeordnet. es muss nicht einmal gesungen werden: moch do kane dants kann man mit allem möglichen übersetzen. die varianten reichen von benimm dich bis zu red keinen unsinn.

    in der hoffnung, sie nicht allzu sehr belästigt zu haben, grüße ich recht herzlich – gerold wallner

  2. Liebe Frau Dusl,
    Eine kleine Ergänzung zur Wortbedeutung von „harb“: Im Kärntnerischen steht „harb“ auch dafür, wenn ein Essen zu salzig ist.

  3. Noch einmal „HARB“:
    Meine Tante = Mutterschwester Maridl (*1922, verstorben vor etwa 10-13 Jahren), im Dorf Lahndörfl, nahe Halbenrain im zweisprachigen Radgonski Kot, hat mir, dem damals etwa 15-17-Jährigen auf eine harsche Reaktion meinerseits auf eines ihrer „Lügenmärchen“ geantwortet:

    Wolfi, bist mir lacht goar hab!

    Jetzt nach dem HIN und HER zu „harb“, würde ich sagen, ich hatte doch „harb“​​ gehört, was ich nicht kannte und also nicht verstand, mit einem fast völlig verschluckten = zerriebenen „r“, denn es musste wohl heißen, dass sie annahm, ich sei ihr nun ziemlich BÖSE.

    Anmerkung: „lacht“ steht für „vielleicht“, bei uns Zweisprachigen für lahko (slowenisch). Sie hätte auch sagen können: Bist mir eppa goar hab!

  4. Liebe Frau Andrea!

    In der Falterausgabe 30/23 fragt Herr Franz Josef Lindner an, von wem das Lied, wo „der Kieberer am höllichten Tog daherkommt“, stammt. Auch ich (Jahrgang ’63) kann mich vage an dieses Lied erinnern – wurde öfters auf Ö3 gespielt – und habe sogar die Melodie im Kopf, aber kann sie hier leider nicht vorsingen. Mit ziemlicher Sicherheit meinte Franz Josef weder ein Lied von Arik Brauer, noch der Worried Men Skiffle Group sondern -mein Verdacht- vom „Misthaufen“, in den frühen ’80ern. Habe im Internet aber auch nichts gefunden und bin mir deshalb nicht sicher.

    Hier einige Erinnerungs-Textfetzen:

    „…fertig fias liebesspü, i moch mi a scho frei,…
    …i siach an grünan herrn um die eckn gehn,
    …heast, des deaf do net woah sein,…

    …(refrain)…do kummt da kiebara,
    do kummt da kiebara,
    do kummt da kiebara,
    holdrio,
    aum höhliachten tog…“

    Liebe Grüße
    Marcel Berger, Graz

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