Berühmte Durcheinander

„Ordo ab chao“, Ordnung (entsteht) aus Chaos, lautet ein extremphilosophischer Verstehensversuch – erst im großen Durcheinander fügten sich die Dinge. Vor Durcheinander und Fügungen haben die Österreicherinnen und Österreicher traditionelle und deswegen berechtige Angst. „Nur ned hudeln“, ist eine der Devisen des Landes, zu leicht verstolpert man sich beim schnellen Handeln (die Schifahrer sind ausgenommen, denn beim Wettbretteln kann man nicht stolpern, sondern nur abfliegen). Die Österreicherinnen und Österreicher haben deswegen solche Angst vor dem Chaos, weil es zum Erinnerungsschatz des Landes gehört. Chaos ist das Ergebnis von Revolutionen, Umstürzen und Zusammenbrüchen. Trotz gegenteiliger Bekundungen kennen sich Österreicherinnen und Österreicher hier bestens aus. In nichts haben Schnitzellands Passagiere mehr Erfahrung, als im Chaos. Allerdings gelingt es kaum, das Wissen in Expertise zu münzen. Das Chaos wird als Bedrohung und Endpunkt begriffen, und nicht als Chance und Neubeginn.

Als die Sozialdemokratische Partei jüngst im Rahmen chronischer Ideen-Anämie und schamloser Nabelbetrachtung in Führungsdebatten und Richtungskontroversen stolperte, verloren ausgerechnet bürgerlich-kritische Politik-Versteher die Nerven. Die „Chaostage in Rot“ bedrohten die österreichische Weltordnung hieß es. In düsterer Ahnung, die diagnostizierte Selbstzerstörung der SPÖ könnte auch ein längst fälliger Neufindungsprozess sein.

Sollte aus rotem Chaos tatsächlich rote Ordnung entstehen, wären schwarze, grüne und blaue, vielleicht sogar magentafarbene Chaostage nicht das Falscheste.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 22. April 2023.

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