Der ideale SPÖ-Chef

Das Maß aller sozialdemokratischen Dinge war Bruno Kreisky. Das Ding war die Kanzlerschaft, und der diesbezügliche Glücksfall, die Absolute. Die Alleinregierung. Die Lizenz zur Epochenveränderung. Den anderen Standard in sozialdemokratischer Perspektive, jenen in Bezug auf Einsicht und Erkenntnis hat Kreiskys Amtsnachfolger Fred Sinowatz gesetzt. Mit der klugen, aber belächelten Einschätzung, alles sei sehr kompliziert. Seine Nachfolger erodierten Maß und Standard, manche sogar Einsicht und Einschätzung. Nicht unbedingt in böser Absicht, aber den Umständen geschuldet. Im Wernerfall gar denen der eigenen Person.

Eines der vielen Traumata der Sozialdemokratie war der Verlust der Absoluten. Abgelöst und ersetzt nur durch den verstörenden Gang in die Opposition. Dort, so die Parteierzählung, gelinge die Regeneration, die Wiedererstarkung, das Gewinnen von Wahlen, der Wiedereintritt in Regierungsverantwortung, das Mitgestalten, das Gestalten.

Das Projekt ist erstmals gefährdet. Schuld sei die zu passive Vorsitzende, der zu aktive Landeshauptmann, der unerhörte politische Gegner, die unerwartete Pandemie, die ungebremste Inflation. Das ganze Programm. In anderen demokratisch konstituierten Parteien staatstragender Größe sind Vorsitzdebatten, Richtungsdebatten, Flügelkämpfe politischer Alltag. In Österreich fanden sie natürlich auch statt, allerdings nur hinter ausgewählten Polstertüren.

Dass diese Vorgänge nun vor dem Vorhang, in aller medialer Öffentlichkeit stattfinden, kann, losgelöst von Maßen, Dingen und Traumata, auch als Chance begriffen werden.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 8. April 2023.

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