Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 14/2023 zum 5. April 2023
Liebe Frau Andrea,
je länger mein Vater tot ist, desto öfter fallen mir spontan und ohne Anlass Redensarten und Redewendungen ein, die er immer wieder verwendet hat. Eine davon: Das kannst du dir an den Hut stecken (in breitem Wienerisch: Des kaunst da am Huat steckn). Ich weiß zwar, was damit gesagt wird, aber mich würde interessieren, wieso es gerade der Hut ist, an den man sich etwas stecken soll.
Verbindlichsten Dank!
Ludmilla Veigl, Simmering, per Email
Liebe Ludmilla,
„Das kannst du dir an den Hut stecken“ bedeutet soviel wie „das kannst du behalten, das will ich nicht.“ Gründe für Hutschmuck sind so alt wie der Hut selbst. In der gentrifizierten und durchgewokten Großstadt hat der Hut seine Bedeutung als Virilitätssymbol weitgehend eingebüßt. Nicht so in der landwirtschaftlich genutzten Provinz, wo Mauna (Männer), Beasch (Burschen) und Buama (Buben) noch heute ganz selbstverständlich ihr Hiadl (Hütchen) tragen. In der Regel ist das ein krempenloser grüner Filzhut, je nach finanziellen Möglichkeiten versehen mit Gamsbart, Fasanenfeder oder ähnlichen Verschönerungen aus lokalem Gefieder. Dazu kommen Anstecknadeln aus Wallfahrtsorten und anderen Plätzen der Erinnerung. Stolze Rekruten schmück(t)en nach erfolgreicher Musterung ihre Hüte mit ausladenden Blumengestecken, der Spielhahnstoß (die Schwanzfedern des Birkhahns) avancierte in den 30erjahren gar zum politischen Symbol der christlichsozialen Heimwehr.
Unser Ausdruck „Steck Dir das an den Hut“, referiert auf die Sitte, am Wegrand Gefundenes, Blümchen, Federn, Wertloseses somit, an den Hut zu stecken. Anders die Jägerschaft, sie steckte sich den sogenannten Bruch an den Hut, einen kleinen Zweig aus Nadel- oder Laubholz, nach Möglichkeit von einer bruchgerechten Baumart (Fichte, Tanne, Eiche, Erle, Kiefer, Latsche, Zirbe, Bergwacholder, Almrausch). Rechts am Hut getragen diente der Schützenbruch als Nachweis einer erfolgreichen Jagd, links an den Hut gesteckt war der Standesbruch Zunftzeichen bei festlichen Anlässen. Wiesen die Blätter und Nadeln nach innen, zeigte es einen Trauerfall an. Unser Sprichwort „Steck Dir Deine Sorgen an den Hut“ hat hier eine semiotische Entsprechung.
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