Das Rätsel der Sitzplätze im Zug

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 13/2023 zum 29. März 2023

Liebe Frau Andrea,
begeistert nutzen wir immer öfter das Angebot der Bahn, eine Frage beschäftigt uns dabei schon seit längerem, aktuell auf der Fahrt von Kufstein nach Wien: Nach welcher Logik sind die Sitzplätze in Zügen beziffert, warum sitzt man neben Fensterplatz 21 beispielsweise auf Nummer 23 und – noch mysteriöser – warum ist die nächste Reihe dahinter 22 und 28 und – jetzt wird es absurd – wieder dahinter dann 31 und 33?
Liebe Grüsse aus zwischen Linz und St. Pölten,
Thomas Weihs, per Email

Lieber Thomas,

erinnern wir uns an die gute alte Zeit des Eisenbahnfahrens, die Zeit der Zugabteile. Bahnfahren hieß, den Wagon zu besteigen, einen von schwergängiger Schwingtüre gesicherten engen Gang zu betreten, und in diesem nach einem geeigneten Zugsabteil zu suchen. Im Glücksfall war das ein leeres oder eines mit freiem Fensterplatz. Ein solches Abteil hatte sechs Sitzplätze, je drei lagen anderen dreien gegenüber. Es gab ein Doppel am Fenster (beliebt), eines auf der Gangseite (unbeliebt), und eines in der Mitte (besonders unbeliebt). Die Fensterplätze trugen stets die Nummern 5 und 6, die Mittelplätze 3 und 4, und die Plätze neben der Abteiltür 1 und 2. Die Abteilnummer wurde diesen Nummern vorangestellt. Ein Paar mit 2 Kindern konnte bei Reservierung der Plätze 55, 54, 53 und 54 also sicher sein, in Abteil 5 zu sitzen, nebeneinander, in Fensternähe. Jemand mit schwacher Blase wählte Sitzplatz 11 oder 12 (Gangnähe, erstes Abteil nach dem Klo). Das zugrundeliegende Nummerierungssystem RIC (Regolamento internazionale delle carrozze) galt ab 1922 europaweit.

Bei der Umstellung auf Großraum-Mittelgangwagen blieb die Idee von Abteilen, das alte Nummerierungs-System war in den Nummern weiter sichtbar. Gerade Nummern lagen weiterhin ungeraden gegenüber. Die Plätze 5 und 6 eines solchen virtuellen Abteils blieben Fensterplätze (die ehemals gangnahen Plätze 1 und 2 rückten zu solchen auf. Die nun zusätzlich enstandenen Mittelplätze 7 und 8 wurden den Mittelplätzen 3 und 4 zugefügt. Den Gang legte man in die Mitte dieses virtuellen Achterabteils. Easy? Peasy.


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Ein Gedanke zu „Das Rätsel der Sitzplätze im Zug“

  1. Danke, wieder einmal was nützliches gelernt! Wissen Sie auch, wie man erkennt, auf welchen Plätzen man in Flugzeugsitze gepfercht wird, und welche bequeme Tische haben? Wie man also einen Fensterplatz in Fahrtrichtung am Vierertisch bestellt? Idealerweise links, wenns von Wien über den Semmering geht? Vielen Dank, dafür und die vielen Kolumnen, Paul

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