Was möglich ist in Österreich, ist allzuoft verboten. Daraus folgt der Österreicher (die Österreicherin ist mitgemeint), dass alles Verbotene grundsätzlich möglich sein muß. Im Lichte dieser Erkenntnis sind Gesetze und Vorschriften Handläufe des Tuns, niemals Zäune oder gar Grenzen.
So beginnt denn ein einschlägiger Dialog mit einer kontrollierenden Exekutivperson stets mit der Frage: „Was hab i g’macht?“. „Was hab i g’macht“ ist die Übersetzung des Gedenkeninhalts „Was auch immer sie jetzt vorbringen, ich war es nicht, und wenn doch, nur ein bisserl und ohne jede Absicht.“ Auch in Gerichten lässt sich diese Entschuldigungskultur beobachten, wenn etwa führende Chat-Nachrichten-Autoren wegen Amtsmissbrauchs, Korruption oder Falschaussage vorm Kadi stehen. Die unterschießend verharmlosende Attitüde von Ertappten und Erwischten reagiert auf die grundsätzlich überschießende, übertreibende der Kontrollpersonen. Das Verhandlungsergebnis aus diesen Extrempositionen ist die Summe allen Österreichischen. Österreich ist der Raum, der zwischen Verbot und seiner Umgehung eingenommen wird. Von allen, immerzu.
In der Zeit der Lockdowns und der Maskentragepflicht ließ sich die spezifische Kreativität der Österreicherinnen und Österreicher im Echtzeit beobachten. Das Land oszillierte zwischen depressiver Selbstbeschränkung und manischer Auflehnung. Nur das Normale, Richtige war niemals dabei.
So finden wir Rote Linien nur im Vokabelheft und in der Wanderkarte. Sie sind keine Übertrittsverbote, sondern zeigen gangbare Wege an. Sie sind der Ariadnefaden im Labyrinth Österreich.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1. April 2023.