Österreich bastelt

In seinem Epochen-Roman „Der ewige Österreicher“ beschreibt Norbert Winterspacher-Cren“ als Identität hinter allen Identitäten und viertes Geschlecht: Den Bastler. Der Bastler existiere „jenseits von Zeit und Raum“, „in einem Universum einander kreuzender Parallelen“, „in einem Äther der hintereinandergeschalteten Gleichzeitigkeit“.

Wir müssen nicht das Luftschiff der Schwurbelei betreten, um den Bastler als österreichische Instanz zu begreifen. Aus der Nachkriegsnot zweier Weltkriege erwachsen, hat sich privathaushaltliche Improvisationskunst zu einer Schattenbegabung ausgewachsen, die längst alle Lebensbereiche erfasst. Gebastelt werden nicht nur Strohsterne, Topfuntersetzer und Schlüsselbretter, gebastelt wird auch an Maschinen und Geräten, und nicht zuletzt am Feinstofflichen, an Karrieren, Beziehungen und Gesetzen.

Im Wesen des Gebastelten kulminiert die naive Vorstellung, dass das Unschöne, Unfertige, Unpassende allem Schönen, Fertigen, Passenden überlegen ist. Kraft der Idee, der Bastelarbeit wohne das Heilige des Privaten, Unbezahlten, sich selbst Verantwortenden inne. Das Gebastelte ist der Natur überlegen, der Technik sowieso, denn im Gebastelten steckt Liebe. Basteleien sind Liebeswerke, ihre Schönheit, ihre Brauchbarkeit und ihr Nutzen sind nicht von dieser Welt.

Fällt die Bastelarbeit auseinander, leckt das Werk, scheuert oder quietscht, richtet es gar anderen Schaden an, wird es durch eine Korrekturbastelei ergänzt. So entstehen Gesamtkunstwerke von unberechenbarer Komplexität, Österreichischkeiten, wie wir sie täglich erfahren, benützen und betreten.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 25. März 2023.

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