Mit österreichischer Leichtigkeit steuern wir auf ein Problem zu, das wir auch nach Auftreten nicht erkennen werden. Im großen Wartesaal der österreichischen Schwierigkeiten nimmt es vergleichsweise wenig Platz ein. Das ist insoferne egal, als auch größere Komplikationen keine Lösungen erfahren werden. Wir sprechen vom Problem Vollgas. Damit ist der höchste Glückszustand gemeint, den die österreichische Kraftfahrseele einzunehmen im Stande ist. Vollgas, das werden Benzingeschwister gerne berichten, macht den meisten Spaß. Jeder Blick auf österreichische Autobahnen bestätigt dies. Vollgasfahrer haben die glücklicheren Gesichter, Herumzockler schauen verbittert und sind es auch. Weil: Auto zu klein, Gaspedal zu dünn. Nerven im Eimer.
Wie jede Lust hat auch Vollgas den Schmerz zum Nachbarn. Im Vollgasfall verbrennt das österreichische Automobil den meisten Kraftsstoff, macht den größten Lärm, erreicht seine höchste Umweltschädlichkeit. Nur Reifen-Burnouts können das toppen.
Das Automobil mit Verbrennungsmotor ist ein auslaufendes Antriebsmodell, weil Planet und Klima und die Weltrettung und so. Mit dem Aus für diese Technologie wird sich noch etwas radikal ändern. Elektromotore kennen kein Vollgas. Sie haben keine Vergaser, in denen zündfähiges Gasgemisch aus Kraftstoff und Luft verbrannt wird. Technisch gesehen wird es Vollgas nicht mehr geben. Die österreichische Seele wird der Beschleunigungslust aber weiterhin großen Raum und knappe Zeit geben. Und nichts spricht dafür, dass die Vokabel „Vollgas“ verschwinden wird. Dafür sorgen die österreichischen Skisport-Kommentatoren, die seit jeher vom Gasgeben auf der alpinen Piste sprechen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 4. Februar 2023.
Einen Ersatz für „Vollgas“ gibt es bereits aus der Schifffahrt: „Volle Kraft voraus“.
(Namensvettern von mir gibt es in Deutschland)