Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 05/2023 zum 1. Februar 2023
Liebe Frau Andrea,
ich hab jetzt mal ein gesellschaftspolitisches Problem. Es ist verbunden mit einem ästhetischen. Wie sag ich’s nur. Ich möchte gerne genderneutral formulieren, aber ich bringe das Innen-I nicht zusammen, und nicht viel besser geht es mir mit dem Sternchen. Was mache ich bloß? Meine Freundin (eine Soziologin, SoziologIn, Soziolog*in) meint, ich soll mich nicht so anstellen.
Bitte um Hilfe,
Gernot Moser, Graz Waltendorf, per Email
Lieber Gernot,
gewiss werden Sie Verständnis haben, dass ich mich in aktuelle private Diskurse nicht einmischen möchte. Auch verstehe ich mich nicht als Richterin in sprachpolizeilichen Angelegenheiten. Über den momentanen Stand der Debatte kann ich wenig Unbekanntes oder gar Entschiedenes berichten. Ich kann Ihnen aber erzählen, wie ich selbst in dieser Angelegenheit verfahre.
Um eine genderplurale Gesellschaft abzubilden, neige ich zu Althergebrachtem wie der Nennung beider Möglichkeiten, spräche also allgemein von Leserinnen und Lesern, weniger von Lesenden, und (was sie begrüßen mögen) auch nicht von LeserInnen oder Leser*innen. Sind Leserinnen ohne Leser unterwegs, muss man letztere nicht nennen, das selbe gilt für den umgekehrten Fall. Die Verwendung von substantivierten Partizipien führt (auf der Straße etwa) zur Begegnung mit Entgegenkommenden. Bisweilen greife ich zum formidablen Sprachgebrauch Hermes Phettbergs, der von Fußgängys und Radfahrys spricht, möglicherweise sogar von Passantys. Nicht alle werden uns hierhin folgen. Also doch das Innen-I und das Sternchen, um Soziologinnen in Graz Waltendorf nicht zu beunruhigen?
In allen Fällen, in denen die genderneutrale Form dienlich scheint, verwende ich den hochgestellten Punkt oder Mittelpunkt. Er ist auf Windows-Tastaturen per Alt-Code mittels „Alt + 0183“ einzugeben, unter macOS mittels „Shift + ⌥ + 9“, unter Linux mittels „AltGr +“ Das mag in der Eingabe kompliziert erscheinen und will wohl geübt werden, aber es erzeugt ein ruhiges und denoch wokes Schiftbild, wie die Leser·innen dieser Zeilen gewiss bestätigen werden.
Typographophile und Schriftbildfreund·innen sowieso.
comandantina.com dusl@falter.at Mastodon: @Comandantina@mastodon.social post.news/comandantina