Altaltkanzler Kurz ist

Über den jüngsten Emeritus des Landes ist bereits alles gesagt worden, nur noch nicht von allen. Umso erfreulicher ist es, dass sich zu aktenkundigen Chats und anderen Kurznachrichten auch Original-Tondokumente gesellen. Auch die Biographie-Industrie und die Zeitgeschichtswissenschaften begrüßen das, sind doch viele, wenn nicht alle Dokumente durch shreddernde Unbill und fatale Löschvorgänge verloren gegangen. Zudem können sich wesentliche Beteiligte nicht an Vergangenes erinneren, Geschehnisse verlieren sich im Nebel des Vergessens. Kalendereinträge und Email-Korrepondenz von Mitarbeitern könnten die Leerstellen füllen, aber sie enthalten zuviel Persönliches, Schützenswertes. Nachrichten Dritter und Vierter, ihre unpolitischen Nöte und privaten Bedindlichkeiten könnten im Lichte vorverurteilender Öffentlichkeit zu Verwirrung führen und sich zu Nachteilen für die Protagonisten zeitgeschichtlicher Vorgänge auswachsen.

Es ist also erfreulich, dass der beliebteste Kanzler aller Zeiten (weit abgeschlagen der unvergessene Dr. Schüssel) wichtige Gespräche für die Ewigkeit archiviert hat. Jederzeit ist so über Unschuld und Malefikationsferne der Gesprächsteilnehmer zu erfahren. Diesbezüglich verzwergen die Tonband-Dokumente Sebastian Kurz‘ andere nationale Sprachaufnahmen. Figls weihnachtliche Nachkriegsansprache, Edi Fingers narrischen Torruf, Heinz Conrads Grußbotschaften an die Madl und Buam.

Lernens Geschichte, Herr Redakteur, empfahl einst Bundeskanzler Bruno Kreisky. Nachnachfolger Sebstian Kurz antwortet: Wir telefonieren Geschichte!

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19. November 2022.

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