Grün

Hand aufs Herz: Wer von uns ist nicht grün? Wer liebt nicht die schattige Kühle des heimischen Waldes? Den harzigen Duft des weihnachtlichen Baums? Das krosse Knirschen frischgerissenen Salats? Wer von uns freut sich nicht über das helle Grün, das der Frühling übers Land legt, das der Sommer sättigt und verdichtet, und deren Fehlen wir Herbstens und Winters niedergeschlagen beklagen?

Grün ist der Nationaltrunk Veltliner, grün die Hüte unserer Trachten, der Steirer Anzug, die Nähte der Lederhosen, die Leibln so vieler Dirndln. Sogar in den dunkelsten Winkeln amtlicher Stuben wuchert saftiges Grün: Der bescheidene Drachenbaum, die wunschlose Dieffenbachia und der pflegeleichte Gummibaum. Grün sind die Thujen unserer Hecken, und ein ehrlicher Blick in unsere Gärten liefert den eindeutigen Befund: Das Gras auf dem wir rasten und ruhen, die Seele entlüften und den Griller betreiben, es ist nicht rot, nicht pink, nicht blau oder schwarz. Es ist grün.

Grün waren schon die Graugansbeobachter aus Konrad Lorenz‘ Gefolge, die bewegten Bürger der Städte, die Gegner allen Atomaren, die Weitwanderer und Pedalkraftlackeln, die Klangschalenschmiede und Räucherkegelschneider, die Naturkostler und Körndlmahler, die Hochbeetbauern und Parkplatzbesetzer. Die Kritiker von Tunnel, Stadtstraßen, Flugfeldern und anderen Bosheiten, die Feinde von Asphalt und Beton, die Barfüßler und Ökolatscher, die Kaltduscher und Allestrenner.

Sie alle sind längst angekommen. Sie sitzen in den Stadtparlamenten und Landesregierungen, in der Hofburg, und seit Ibiza in den Ministerien der Republik. Grün ist da. Wie lange?

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 13. August 2022.

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