Alles übers Anhiasln

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 24/2022 zum 15. Juni 2022

Liebe Frau Andrea,
endlich konnte ich dem Falter 19/22 die elektrisierende Information entnehmen, dass Justin Bieber seinen Testarossa in geschmackvollem Blau „angehiaselt“ hat. Ich bin selbst begnadeter Hiasler, was sich aber maximal im farblichen Ausbessern meiner Werkstatt äußert, jedoch machte ich mir noch nie Gedanken über die Herkunft dieses hübschen Wortes. Vielleicht können Sie meinen Wortschatz frisch anhiaseln.
Ungeduldig,
Dipl.-Ing. Fritz Winkler, Ampass, Tirol, per Email

Lieber Herr Fritz,

nach allgemeinem Verständnis ist das Anhias(e)ln ein Synonym für das ungelenke Anmalen, Ausmalen, Anstreichen. In der Gaunersprache zirkuliert der Begriff für das Anmalen des Gesichtes, um sich beim Einbruch und beim Diebstahl zu camouflieren. Das Abfotografieren für die Verbrecherkartei (die Galerie) kennt die Unterwelt als ohiasln (abhiaseln, abmalen).

Dass es der vermeintlich Wienerische Ausdruck bis ins ferne Tirol geschafft hat, gibt uns entscheidende Hinweise auf seinen Ursprung. Kommt das Anhiasln etwa garnicht aus dem Schmelztiegel Wien? „Hiasl“ ist im bairisch-österreichischen Sprachraum als Koseform des Vornamens Matthias bekannt. Mit Hiasl wird der tumbe Tor, der Dorfdepp, der Einfältige bezeichnet. Wohl, weil der Name eine große Verbreitung hatte. Der Hiasl war der Justin, der Kevin damaliger Zeit. Was aber hat der Hiasl mit der Bemalung des Gesichts zu tun? Der allegemeine Hiasl nicht, der Spezielle aber wahrscheinlich schon.

Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt das Anhiasln, das erwähnte Bemalen des Gesichtes bei verbotenem Tun (Überfälle, Einbrüche, Wildereien) von der historischen Figur des Bayerischen Hiasl, 1736 als Matthias Klostermayr im schwäbischen Kissing geboren. Als Wilderer und Anführer einer „gerechten“ Räuberbande wurde er zum Volkshelden. Friedrich Schiller soll ihn als Vorbild für den Karl Moor in seinem Stück „Die Räuber“ genommen haben. Der Hiasl endete tragisch. 1771, nach einem Feuergefecht im Gasthof Post in Osterzell wurde er festgenommen und später in Dillingen an der Donau spektakulär hingerichtet. Erdrosselt, anschließend zertrümmert, geköpft und schließlich gevierteilt.

Aufpassen beim illegalen Hiasln!


comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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