Unser Nachbarland, die Schweiz, ist in vielem Österreichs Vorbild. Sie hat die höheren Berge, die tieferen Seen, die berühmteren Pässe. Die Skipisten der Helveter sind schnittiger, die Hotels haben mehr Sterne, die Restaurants mehr Hauben. Und überall fährt die Eisenbahn hin. Auch im Föderalen ist die Schweiz beispielhaft, in allen erlaubten Spielarten der Demokratie, im bewaffneten Neutralsein sowieso, im Uhrmachen, im Schokoladerühren, im Taschenmesserschmieden.
Und die Schweiz ist komplett sauber. Blankgeputzt. Es wundert nicht, dass sich die saubersten Konzerne in der Schweiz angesiedelt haben, und ganz wichtig: Die saubersten Banken. Sie behüten das Geld aus Nah und Fern, oligarchisches Gold und Blut-Diamanten sowieso. Was auch immer anderswo schmutzig entstanden ist, in der Schweiz wird es saubergemacht. Auch wenn wir sie sprachlich nicht verstehen hegen wir eine liebevoll geheim gehaltene Zuneigung zu unseren sauberen Nachbarn. So sauber wie die Schweizer wollen wir auch sein.
Aber die Sauberkeit in Österreich hat ihre Rechnung ohne den Balkan gemacht. Der Klientelismus, das Familiäre, das Emotionsexplosive, insgesamt die Freunderlwirtschaft von Europas weichem Unterleib reicht bis an den Arlberg, seine Ausläufer züngeln bis an den Bodensee. Was auch immer an Österreich österreichisch ist, das Schaumamal, das Gehtscho und das Späterdann, aus Europas Saubergegenden kommt es nicht. Andere mögen aufräumen, putzen, reinigen. Wir schichten die Sachen um. Reden sie weg, drehen sie zu, schütteln sie ab.
In dieser Kunst sind wir allerdings unerreicht.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11. Juni 2022.