Hausmittel

Unter den Staaten westlicher Orientierung ragen die deutschprachigen in besonderer Weise hervor. In DACH (Deutschland, Österreich und der Schweiz) ist die Zahl der Ungeimpften signifikant höher als in anderen Ländern. Diese Gesellschaftskohorte wird naturgemäß aus der Szene der Impfgegner, Impfskeptiker und Impfverweigerer gespeist. Ihre Befindlichkeiten, Kleidungsvorstellungen und Musikvorlieben, ihre Sprache und ihren Argumentebaukasten kennen wir von wöchentlichen Massenspaziergängen und aus hunderten von Talkshows. Die Soziologen haben Ursachen im Föderalen ausgemacht, das seit jeher gegen den Stachel der Zentralmacht löckt. Im Dorf wettert man gegen den Bürgermeister, dieser wickelt mit dem Bezirk, dort sieht man sich vom Land gegängelt, und Schuld ist der Bund. Vereinsmeier kennen das.

Jahrhunderte des Unmuts gegen jede Hierarchie nähren einen der Traditionsstränge der Renitenz, so die Forscher, der andere wurzle in anthroposophischen Netzwerken, Waldorfschulen, Esoterikzirkeln und spiritualistischen Freundeskreisen, kurz gesagt dem Volkswissen, noch kürzer: Dem gesunden Menschenverstand. In den Weiten des magischen Denkens verwischen sich die Grenzen zwischen links und rechts. Schwurbel verbindet.

Wer das Selberbasteln dem Handwerk der Profis vorzieht, dem Hausmittel der Urstrumpftante mehr vertraut als dem ärztlichen Therapievorschlag, wer panscht und verwurstet, selberbrennt und pfuscht, kann den Produkten der Pharmaindustrie nur mit Misstrauen begegnen. Unösterreichischem Teufelszeug wie Mathematik und Statistik sowieso.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28. Mai 2022.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert