Watschenkunde für Fortgeschrittene

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 16/2022 zum 20. April 2022

Liebe Frau Andrea,
aufgrund des vermehrten Aufkommens öffentlich verabreichter Ohrfeigen
frage ich mich, woher wohl die vielen unterschiedlichen Begriffe im bairisch-österreichischen Sprachraum kommen mögen, namentlich die Watschn, die Tetschn, die Tachtel, die Schelle, die Fotzn, sowie die Verkehrte, und ob damit womöglich unterschiedliche Ausführungsarten beschrieben werden.

Mit der Bitte um Aufklärung,
David Baum, Hamburg, per Email

Lieber David,

sämtliche der von Ihnen aufgesammelten Wörter bezeichnen das, was wir im Hochdeutschen als Ohrfeige kennen, den Schlag mit der flachen Hand an die Backe des (oder der) Anderen. Die Geste kann verschiedene Bedeutungen haben. Sie hat eine Geschichte als Erziehungsmaßnahme gegenüber Minderjährigen, als Demütigungsritual gegenüber sozial oder hierarchisch Tieferstehenden, als Ehrenbeleidigung zwischen Gleichgestellten und als gelinder Ausdruck privater Abmahnung.

Etymologisch gesehen fallen die Bezeichnungen in verschiedene Kategorien. Die Wadschn (Watsche) ist gewiss lautmalerischen Ursprungs, in Österreich hat sie den Wadschnbam (Watschenbaum) hervorgebracht und das Beidln (Beuteln) an diesem, sowie den legendären Watschenmann, eine Attraktion des Wiener Wurstelpraters, der man Ohrfeigen verabreichen konnte. Nach Deix gilt ein gewisser Horst Piwonka, verewigt auf einem Geldschein des Wertes 7 Kilo als Erfinder der Faustwatsche. Ebenfalls lautmalererisch dürfen wir die Dedschn (Tetsche) werten, verwandt mit mhd. tetschen (klatschend aufschlagen) und unserem Verb tatschen, antatschen. Auch Schöhn (Schelle), Dschinöhn (Tschinelle) und Dromme (Trommel) gehören hierher.

Jene Gruppe, zu der auch die Ohrfeige gehört, beschreibt das Resultat des erfolgten Handschlags, die Schwellung an der Backe. Die Dochdl (Tachtel, mittelhochdeutsch tahtel) kommt von der Dattel, der Frucht der Dattelpalme. Ähnliches können wir von der Nuss, der Wuchdl (Wuchtel) und vom Backl (Packerl) sagen. Die Fodssn (Fotze) schließlich beschreibt den Ort des Geschehens, den Fods (den Mund, das Maul).

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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