Auf der Nudelsuppe dahergeschwommen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 06/2022 zum 9. Februar 2022

Liebe Frau Andrea,
mit großem Vergnügen lese ich immer Ihre Erklärungen zum Wiener Dialekt. Könnten Sie mir bzw. den Falter-Lesern erklären, was es für eine Bewandtnis mit der Qualifizierung eines Menschen auf sich hat: „Er oder sie is a net grad auf der Nudlsuppn dahergschwumma kumman“.
Vielen Dank für Ihre Recherche. Mit freundlichen Grüßen,
Heinz von Hermann, Wien, Landstraße und Strobl, Salzburg, per Email

Lieber Heinz,

nach allgemeinem Verständnis bezeichnet die Redewendung eine Person minderer Fähigkeiten, meist mit Defiziten auf ökonomischem Terrain. In der Regel erfolgt aber gar keine Beleidigung durch Zweite oder Dritte, der Spruch wird in vorauseilender Abwehr auf die eigene Person bezogen, in Sätzen wie: „Ich bin doch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen!“ Ähnliches wohnt der Selbstbezichtigung „Sie halten mich wohl für deppert!“ inne.

Das Schwimmen auf der Nudelsuppe ist noch nicht so lange üblich, die ältere Version fokussiert auf den Vorwurf, man sei auf der Brennsuppe (eine einfache Suppe aus Mehl, Wasser und Fett) dahergeschwommen. Lokale Varianten in anderen (auch deutschen) Bundesländern kennen den Spruch mit Milchsuppe, Brotsuppe, Wurstsuppe und Fischbrühe, sie alle galten als Arme-Leute-Essen. Das Schwimmen auf der Suppe ist als passiver Vorgang zu verstehen, konnten doch in Zeiten des Aufkommens des Insults nur wenige schwimmen. Treibholz schwamm, Mitgerissenes, Unrat, Ertrunkenes. Die Redewendung ist seit Beginn des 19. Jahrhunderts belegt und verweist auf Konflikte im kleinbürgerlichen Aufsteigermilieu.

Die Verbindung von minder angesehene Herkunft und billigem Essen sehen wir noch in einem weiteren Spruch. Zu Zeiten schwarzer Pädagogik warfen Lehrpersonen Schulkindern, die vergessen hatten, die Türe hinter sich zu schließen die Frage entgegen, ob diese daheim Leberkäse zum Durchfressen hätten. Ein Hinweis auf fehlende Türen und billiges Essen in den Wohnungen ärmerer Schichten.

Heutige Insulte würden wohl medientechnische Aspekte thematisieren. „Habts ihr daham noch Vierteltelefon?“ oder „Streamts ihr die Musik im Cassettinger?“

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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