Parlamentarisches Herumgezwinkere

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 43/2021 zum 27. Oktober 2021

Liebe Frau Andrea,
der „Zwinkerer“ von Frau Ministerin Köstinger in Richtung des „neuen“ Bundeskanzlers – Graf Schallenberg – führt mich, abgesehen von der politischen Dimension dieses Zeichens, zu der Frage: Woher kommt dieser Begriff eigentlich?
Ich bitte um Ihre Expertise.

Liebe Grüße aus Linz,
Helmut Strasser, per Email

Lieber Helmut,

das Recht zur Führung adeliger Standesbezeichnungen ist seit 10. April 1919 aufgehoben, wir wollen den Adressaten der parlamentarischen Zwinkerei vom 13. Oktober also republikanisch als HBK (Herr Bundeskanzler) oder Mag. iur. Schallenberg LL.M. (Magister iuris; Master of European Law) ansprechen. Im Zweifelsfall ist die Anrede „Exzellenz“ immer möglich, wienerisch: „Heast!“

Körpersprache-Hermeneutiker haben den blinzelnden Blickkonktakt zwischen BM Köstinger und HBK Schallenberg als freundliche Bekanntgabe der hierarchischen Disposition zwischen den beiden gedeutet, in der Herkunftssprache der Ministerin soviel wie: „Moch da kane Suagn, Schalli, mia schauma auf di!“

Woher aber kommt der Zwinkerer, sprachlich gesehen? Das Zwinkern, also das wiederholte Schließen und Öffnen der Augenlider ist verwandt mit mittelniederdeutsch „twink“, altenglisch „twinclian“, und schließlich englisch „twinkle“. Ähnlich Worte mit gleicher Bedeutung sind zwinkeln, mittelhochdeutsch zwinzen, die alle mit einem anderen bekannten Verb verwandt sind: Zwingen bedeutete ursprünglich auch (zusammen)drücken, pressen, (be)- drängen, nötigen, bändigen.

Das Wienerische hat einen ganz speziellen Katalog an Ausdrücken für die Gefühlsregung ausgebildet, so bleandsln (blinzeln, Blicke zuwerfen), dazu bleankatssn, (blinzeln, das verstohlene Zwinkern mit einem Auge), und dsuadswinsln (zuzwinkern) oder schlicht dswinsln (zwinkern), mit den Augen ein Zeichen geben. Das kokette Zuwerfen nonverbaler Botschaften schließlich kennt das Wienerische als Schbeandsla (Speanzler). Die Intensivbildung zu mittelhochdeutsch spëhen (spähen) kennen wir auch als Wimparnglimparn (Wimpernklimpern), liabeigln (liebäugeln) und Repedíaaugn mochchn (Repetieraugen machen).

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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