Schallo Pansa

Österreich ist voller Literatur. Das meiste davon ist dahergesagt, herumerzählt oder der Stillen Post anvertraut. Gilt doch die Devise: Jedes Schriftl is a Giftl. Und umgekehrt: Jedes Giftl braucht ein Schriftl. Verträge, Abkommen, Protokolle. Besonders beliebt bei den Schriftlmachern sind Tweets, SMS und Chats. Toxische Formen der Minimalliteratur, die das österreichische Bedürfnis nach Kurz- und Kürzestbeleidigungen stillen. Auf die Giftigkeiten jüngst aufgetauchter Chats angesprochen reagierte die politische Verstehenskunst mit dem Hinweis: Sowas schicken wir einander doch alle. Das ist so richtig giftig.

Kürzer als das Sprichwort ist die Metapher. Ein drastisches Beispiel ist der Erdrutschsieg. Hier verbindet sich die Naturkatastrophe mit dem Heldenschicksal. In gängiger Interpretation wird damit ein hohes, aber unerwartetes Wahlergebnis bezeichnet. Rätselhaft bleibt bei diesem Sprachbild, wessen Grundstück dabei vermurt wurde, das eigene oder das gegnerische. Wird der Erdrutschsieg in Balkendiagrammen dargestellt, stellt sich die Frage, wieso Erde bei Wahlsiegen nach oben (in die Siegersäule) rutscht. Nicht fragen, Österreich, ist die kurze Antwort.

Kommen wir zu Prognostischem. Gerne wird gesagt, man hätte da und dort auf das falsche Pferd gesetzt. Wer Österreich kennt, wird hier nicht an Wettbüros oder die wenigen Pferderennbahnen des Landes denken, sondern an Stall und Gestüt und eine Frage, die karriereentscheidend sein kann: Ob man SICH nicht eventuell auf das falsche Pferd gesetzt habe. Das hufmarode, vom Erdrutsch erlahmte, vom Schriftl vergiftete.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 30. Oktober 2021.

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