Hausverstand Eigenverantwortung

Jeder Versuch, Österreich zu verstehen, muss scheitern. Österreich kann nicht verstanden werden. Es kann betrachtet werden, besucht, erfahren, beschrieben. Die Unbegreifbarkeit Österreichs hat Gründe: Den Österreicher·innen ist es zu nahe, den anderen zu fern. Das hat auch damit zu tun, dass die Österreicher·innen selbst nicht alles verstehen. Oft verstehen sie nicht einmal einander (wenn etwa Mattersburger mit Montafonern konferieren. Oder Filzmooser mit Floridsdorfern). Dazu kommen individuelle Defizite. Angeborene, erworbene und ja: auch eingebildete. Manche reden zu viel, manche zu wenig. Manche hören schlecht. Manche hören nicht zu. Vom Kindergarten bis ins Penionistenheim wird an einander vorbeigeredet (und man ergänze: aneinander vorbeigehört). Der frühere Bundeskanzler erklärte den eskalierenden Gesamtzusammenhang im vielfach kolportierten Österreich-Bonmot, er wisse, das klinge alles sehr kompliziert. Der amtierende Kanzler kann das inzwischen schon besser: „Hobts scho gessn, jo, jo?

Fest verwurzelt im Überschrifteln und Schlagworteln hat die Verstehensferne vertraute Blüten hervorgebracht. Das Tourismusgesäusel, das Politikergeschwurbel, die Schi- und die Fußball-Kommentaristik.

Getan bedeutet nicht gesagt, gesagt nicht getan. Vorhaben gelten nicht, Absichten sind Trug. Verbote werden nicht befolgt, sondern umgangen, Rat wird gegeben, aber niemals beherzigt. Normalerweise geht das gut, wissen die gelernten Österreicher·innen doch stets, wie etwas wirklich gemeint ist. Immer anders nämlich. Worte und Begriffe sind Hülsen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2. Oktober 2021.

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