Nationalfarben

Der Kapitelsaal des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz ist eine der wichtigsten Gruften Österreichs. Was die Kapuzinergruft für die Habsburger, ist dieser Saal für ihre Vorgänger, die Babenberger, die ersten Herzöge des Landes. Hier ruht der Schöpfer einer der ältesten noch in Gebrauch befindlichen Staatsfarben der Welt: Leopold V., genannt der Tugendreiche.

Im Frühjahr 1191 trifft der Herzog mit seiner Entourage aus österreichischen und steirischen Rittern im Heiligen Land ein und wird Teamchef der christlichen Belagerungsarmee vor Akkon. Gegnerischer Stürmerstar: Sultan Saladin. Das Match geht für die Kreuzfahrer aus. Ermattet von der Schlacht schält sich Leopold V. aus seinem Kampfgewand. Das ursprünglich blütenweiße Schlachtkleid ist von Blut getränkt. Als der Babenberger den Schwertgurt abnimmt, wird ein breiter weißer Streifen sichtbar. Dieser Waffenrock, seit dem 11. Juli 1191 rotweißrot gefärbt, wird zur österreichischen Wappenfarbe erklärt.

Das Legendentextil wird 400 Jahre lang in der Kirche Maria auf der Had in Maria Enzersdorf aufbewahrt und 1529 vor den herannahenden Türken nach Perchtoldsdorf in Sicherheit gebracht. Obwohl mittlerweile unauffindbar, gilt das Rotweißrot von Leopolds Wappenrock als Österreichs Identitätsfarbe.

Bis sich eines Tages der Grafikzangler des Österreichischen Fußball-Bundes mit Photoshop herumspielte und herausfand, welches die Komplementärfarben zu Rotweißrot sind:

Türkisschwarztürkis.

Die Folgen dieser Entdeckung sind bekannt. Bei Ländermatches laufen Österreichs Nationalkicker in diesen Farben auf. In Heiligenkreuz rotiert es in der Gruft.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 26. Juni 2021.

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