Faszinosum Fazi

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 38/2020 am 16. September 2020.

Liebe Frau Andrea, sehr verehrte Comandantina,
in meinem Freundeskreis werde ich von allen Faz genannt. Das erste Mal gehört habe ich den Namen, als mich ein Freund meines Vaters Mitte der 80er Jahre als „Bua vom Faz“ bezeichnet hat. Zur Frage der Bedeutung des Namens Faz/Faze oder wie er zu dem Namen gekommen war, bekam ich keine Antworten. Von meinem Vater bekam ich auch keine genauen Auskünfte. Nur dass es irgendwas mit Gefängnissen zu tun hat. Ich sehe keinen Zusammenhang, da mein Vater zu Lebzeiten immer ein gesetzestreuer und ehrbarer Mann war. Ich vermute, dass ihm der Spitzname während seiner Arbeit auf den Baustellen in der Bundeshauptstadt verliehen wurde. Leider kann ich keinen, der es wissen könnte, mehr befragen, und hoffe daher, dass Sie als profunde Kennerin des Wiener Vokabulars die Bedeutung meines Spitznamen aufklären können.
Hochachtungsvoll,
Johann „Faz“ Köppel, per Email

Lieber Johann,

das Wienerische kennt das „Fadsían“, das Vazieren, das Leben ohne Arbeit oder festen Wohnsitz, es kommt vom lateinischen „vacare“ (frei, müßig sein), bedeutet aber auch verzieren, schmücken. Aus der Unterwelt kennen wir das Fadsíndn, das Verzünden, Anschwärzen, Verklagen, Verraten. Tränen der Verleumdung werden gestillt mit dem „Fadsinettl“, es kommt vom italienischen „fazzoletto“, Taschentuch.

Eine Befragung des Standardwerkes für Fragen spezieller Art, J. M. Burnadz‘ im Verlag für Polizeiliches Schrifttum erschienenes Bändchen „Die Gaunersprache der Wiener Galerie“ liefert das Lemma „Fazi“. Damit werde ein (ältester oder am längsten in Haft befindlicher) Häftling bezeichnet, der im Gefängnis Arbeiten erledige und dafür Sonderbegünstigungen erhalte. Woher aber kommt das Wort?

Mit großer Sicherheit aus dem Italienischen, noch genauer aus dem Toskanischen. Es spricht den Fazi „Faci“ aus. Als „facitóre“, „fascitóre“ (von fare, machen, tun) bezeichneten die Florentiner den vertrauenswürdigen Mann, der im Auftrag des Eigentümers ein oder mehrere Stadthäuser verwaltete und die Miete eintrieb. Der Fazi ist also ein Macher.

Vom Fazi „im Bau“ unterscheidet den Fazi „am Bau“ nur der Grad seiner Freiheit.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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