Wien und das liebe Geld

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 29/2020 am 15. Juli 2020.

Liebe Frau Andrea,
als Zugereiste entdecke ich die Feinheiten des Wienerischen in den schönen Liedern von Voodoo Jürgens, Seiler, Speer und Nino, den 5/8erl, Willi Resetarits und Ernst Molden. Und nicht zu vergessen: Falco! Vieles vom Gesungenen verstehe ich. Wieso aber heißt Geld Flieder? Wieso Gerstl? Und wieso dann wieder Marie? Bitte klären mich auf!
Liebe Grüße und herzlichen Dank!
Bianca Großrubatscher, Ottakring, per Zoom-Videokonferenz-Direktmitteilung

Liebe Bianca,

der uralte Handelsplatz Wien kennt eine Vielzahl von Begriffen für das, was wir dudendeutsch Geld nennen. Eine beliebte Wiener Bezeichnung ist „das Knödel“ (eigentlich: es Gnedl). Es kommt nicht von der rundgeformten Teigspeise sondern von jiddisch Genewo, Gnéjwe (Mehrzahl Gnéjwess), der Bezeichnung für den Diebstahl und das Diebsgut. Der Wiener Pülcher (der milleunahe Kleinst-Entrepreneur) kennt Pekuniäres auch als Blatti (von tschechisch platit, zahlen), Bleankl (von mittelhochdeutsch blenken, blinken), Lowe (von romani lóvo, Geld), Kies (rotwelsch Kis ist der Beutel) oder Gwasdl (Quastl, wohl wegen des Bling-Faktors). Münzgeld ist der Schoda (Schotter) oder Flins (von flinzen, glänzen, verwandt mit Flins, dem Feuerstein)

Vor der Einführung des Euro (wienerisch: Eia oder Öaro) galt die 100-Schilling-Note als Kilo, der Tausender war der Fetzen. Die prominente Summe von 100.000 Schilling war die Kistn, wohl verwandt mit Khit (Kitt, vom rotwelschen Chut, Geld). Die Laschi ist ein kosendes Kurzwort zum französischen l’argent, Geld. Der Nedsch, die kleine Münze kommt vom westjiddisch Neschires, Reichtümer, das verwandte Aschiros von Auscher, Oscher und bedeutet reich, Reichtum. Es hat zum Wiener Geldwort Oschn (Asche) geführt. Unter „blanke Oschn“ versteht die Wiener Unterwelt das Silbergeld, unter „rote Oschn“ Goldmünzen.

Woher aber kommen die von Ihnen zitierten Wörter? Flieda (Flieder), kommt vom glänzenden Flitter, Geaschdl (Gerste) bezieht seine Nämlichkeit aus der Kleinteiligkeit und der goldglänzenden Farbe, und die Marie kommt von Romani maro, Brot. Wo wir fast wieder beim Knödel wären.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

2 Gedanken zu „Wien und das liebe Geld“

  1. Zur Ergänzung: Lowe bedeutet auf Romanes einfach Geld. Im Ungarischen ist „lóvé“ sogar eines der häufigsten umgangssprachlichen Wörter für Geld.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert