Frühjahrsmode

Corona hatte gerade Bella Italia erfasst, da munkelte man hinter vorgehaltener Hand, die „lombardischen Verhältnisse“ wären schuld an den pandemischen Zuständen. Die abertausenden illegalen chinesischen Textilarbeiter in den Sweatshops der großen Mailänder Modehäuser (und die der weniger bekannten der Pronto Moda) hätten das Virus aus ihrer Heimat eingeschleppt. Hätten sich, so erzählte man sich an den Halli-Galli-Theken von Ischgl und Sankt Anton, im Chinesischen Neujahrsurlaub angesteckt, bei verruchten Ritualen wie dem Löffeln von Fledermaussuppe, dem Einschneiden von Schuppentierkoteletts (und dem Aushecken seltsamer Modetorheiten).

Die Frage, wie es abertausende illegale chinesische Textilproletarier schafften, unbemerkt durch die halbe Welt zu fliegen, wurde nicht gestellt. Ungeklärt blieb auch, wie ihnen die Wieder-Einreise in den Schengenstaat Italien gelang. Den abertausenden illegalen (und wohl schon hoch fiebernden) chinesischen Textilarbeitern.

Das Narrativ war klar. Hie die gierige, von mafiösen Strukturen durchsetzte, dem lasterhaften Rummel der Alta Moda verfallene italienische Schönschneiderei, da die undurchsichtigen, zu jeder gesundheitlichen Schandtat bereiten Arbeitsameisen aus dem fernen Gewaltreich. Zwei Vorurteile zum Preis von einem!

Erst viel später durften die Geschichten in den Giftschrank der großen Verschwörungstheorien gelegt werden, waren die chinesischen Akkordnäher doch durchwegs negativ getestet worden. Das Bummerl der Corona-Super-Spreaderei haben jetzt die Tiroler. Deren Gastro-Rituale: Schnitzel-Pommes und Schnapserl ex.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 16. Mai 2020.

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