Warum man das Luder schindet

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2020 zum 13. Mai 2020.

Liebe Frau Andrea,
könnten Sie mir in Ihrer Eigenschaft als wandelndes Lexikon den Begriff „Schindluader“ erläutern?
In Dankbarkeit verbunden,
Rosa Santa, asl Email von meinem Smartphone gesendet.

Liebe Rosa,

auch Nichtwienerinnen kennen den Begriff des Schindluders und damit verbunden die Redensart, mit jemand, mit etwas „Schindluder zu treiben“. Damit bezeichnen wir üblicherweise den Missbrauch, das Ausnutzen, das schlecht Behandeln von Menschen oder Dingen. Was aber ist ein Schindluder und wieso treiben wir es?

Das Luder, mittelhochdeutsch „luoder“ ist uns als abwertende Bezeichnung für eine sexuell aktive Frau in Erinnerung. Ursprünglich aber war damit die Lockspeise, der Tierkadaver gemeint, den Jäger zum Anlocken von Raubvögeln auslegten. Ähnliche Karrieren als Schimpfwort durchliefen Aas und Keib(e). Letzteres bezeichnete ursprünglich den Leichnam des Gehenkten, es wird im Österreichischen fälschlicherweise als Keibel (Kälbchen) gedeutet und im Sinne von „Dummerchen“, „Depperl“ verwendet. Luder, Aas und Keibe aber sind allesamt Bezeichnungen für Kadaver, Verwesendes.

Der Wortbestandteil „schinden“ ist uns geläufiger. Wir schinden (quälen) uns im Fitneßstudio, in anstrengender Arbeit, oder schinden andere in der Kaserne und im Gfechtla (der Gefechtsübung). Das Wort selbst bezeichnete ursprünglich das Abziehen der Haut. Es ist abgeleitet von althochdeutsch „skinten“, „skinden“, enthäuten, schälen, verwandt mit mitteldochdeutsch“schint“, der Schale des Obstes, und englisch „skin“, Haut.

Fürs Schinden zuständig war der Schinder (wienerisch Schinda), der Abdecker (Odecka) oder Wasenmeister (Wosnmasda; gaunersprachlich auch für den Arzt gebräuchlich). Der Schindanger (Schindånga) bezeichnete der Ort, an dem abgedeckt wurde, aber auch die Hinrichtungsstätte. Das Schindluder (Schindluada) war das abzudeckende Tier. Schon früh wurde das Treiben desselben auf das Misshandeln, Quälen übertragen, war doch damit das Bild des alten „geschundenen“ Pferdes, der Schindmähre (Schindmiarn) verbunden. Fast vergessen ist das Sprichwort „d’Laus umman Boig schindn“, die Laus um den Balg schinden, soviel wie: andere auszunützen.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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