Maskenmode

Die Krise hat auch ihr Gutes. Österreich rückt näher zusammen, indem es mehr Abstand hält. Sozialdistanz ist Schulterschluss! Keine Nation wäre besser geeignet, dialektischen Vorgängen dieses Umfangs Raum zu geben, als das Land der Gegensätze. Sünde und Vergebung fallen in eins. Ischgl ist jetzt immun.

Weil wir ein dankbares Volk sind, murren wir. Das liegt auch daran, dass die Begrifflichkeiten „Abstand“ und „Rücksicht“, und die Längeneinschätzung „1 Meter“ die Bevölkerung noch nicht ganz erreicht haben. Von der Verwirrung, die die mathematischen Wendung „Exponentialfunktion“ auslöst, ganz abgesehen. Exponiert sind wird doch alle. Schuld sind die Funktionäre.

Die Zeit der Krise ist auch eine Krise der Zeit. Das Verbotene reizt, das Reizende ist verboten. Also sind die großen Parks und Promenaden geschlossen. Niemand soll sich mit Frischluft anstecken. Der Spaziergang, einst den Alten und Gebrechlichen vorbehalten, fordert jetzt die Jungen und Extremsportbegabten. Der Gang um den Häuserblock ist das neue Bungee-Jumping. Aber was trägt man da? Man trägt jetzt Maske.

Das Land der Berge ist auch das Land der Bastler. Die Fähigkeit aus Nichts Brauchbares zu machen und aus Brauchbarem Nichts, liegt uns in den Genen. Noch nie wurde soviel genäht wie dieser Tage. Wer auf sich hält, hat Muttis Nähmaschine aufgestellt und transformiert Kissenbezüge und Geschirrtücher in Masken. Schnittmuster werden gehandelt wie Aktienpakete, Krisengewinnler sind alle, die in Handarbeiten gut aufgepasst haben.

Die Maske ist der neue Hut. Alle tragen sie. Aber auch hier gilt: Individualität ist alles.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11. April 2020.

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