Älpler, Scherzprediger und Zwetschgenröster

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 15/2020 zum 8. April 2020.

Liebe Frau Andrea,
im Laufe meines bisherigen Lebens habe ich einige Freunde gewinnen können, bin aber noch nie einem Zwetschgenröster begegnet. Das irritiert mich, wurde doch ein solcher, seit ich mich erinnern kann, immer wieder erwähnt. Besonders wenn eine Freundschaft oder die Aufrichtigkeit eines Freundes gutmütig – ironisch in Zweifel gezogen werden soll, wird besagter Zwetschgenröster dem Freund beigegeben. Sie werden verstehen, dass dieses Problem mich, bisher leider ergebnislos, sehr beschäftigt. Meine Hoffnung bitte ich nun, in Ihre kompetenten Hände legen zu dürfen, zumal ich jede Woche mit Freude feststellen kann, dass Sie in der Lage sind, auch Jahre schwelende Probleme zu einem guten Ende bringen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Gregor Stagl, Grafenbach bei Diex, Bezirk Völkermarkt, Kärnten

Lieber Wolfgang Gregor,

mit dem sprichwörtlichen Zwetschgenröster ist nicht das kompottartige Beigericht zum Kaiserschmarrn gemeint, sondern der bäuerliche Produzent von Dörrzwetschgen.

Aber wer hat das Sprichwort erfunden? In seinen Werken „Älpler“ (1886), „Das Volksleben in Steiermark“ (1888) und „Alpensommer“ (1908) beschreibt der ehemalige Waldbauernbub Peter Rosegger die verschieden Charaktere seiner steirischen Heimat: Den Dorfgeistlichen, den Richter, die Hausfrau, die Zuchtdirn, den Einleger, den Gelehrten, den Winkeldoktor, den Lotterienarr, den Viehhändler, den Bratelgeiger, und andere Bewohner der Berge.

In Roseggers Wiedergabe einer Scherzpredigt, die ein oststeirischer Bauer mit aufgeklebtem Kapuzinerbart zum Besten gibt, zitiert er diesen mit dem satirischen Eröffnungsstatement: “Geliebte Zuhörer, Zwetschkenröster und Schafscherer!” Eine Variante dieser Geschichte richtet sich an die “Geliebte(n) Zuhörer, Zwetschkenröster und Gassenkehrer!”, zwischendurch ergeht der Appell “meine lieben Zuhörer, Schuhflicker und Kohlenstörer!” Die Begrifflichkeiten stellen sich in die Tradition der Faschingsreden und Schmähpostillen der Epoche.

Ob Rosegger die Redewendung selbst erfand oder nur Originalzitate aus Zeit und Millieu wiedergab, muss noch geklärt werden.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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