Alles über die Antabus-Hütte

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 07/2020 zum 12. Februar 2020.

Liebe Frau Andrea,
neulich bei Freunden sprachen wir über echtes Wienerisch, worauf der Gastgeber eine alte Schallplatte auflegte, die mich wegen ihrer Authentizität völlig vom Hocker schmiss. Eine Nummer handelte von einem Betrunkenen, der Angst vor der „Autobus-Hütte“ hatte. Seither rätsle ich, was damit gemeint war. Im Internet finde ich alles über Autobusse und alles über Hütten, aber nichts über eine Autobus-Hütte. Bitte helfen Sie!
Lieben Dank,
Florian Budischek, Ottakring, per Email

Lieber Florian,

mit größter Wahrscheinlichkeit haben Sie eine Nummer der legendären Tonaufnahme „Wiener Bezirksgericht, Folge 1“ gehört. Auf dieser Platte, die 1965 bei Preiser Records erschien, sprechen Erni Mangold, Helmut Qualtinger und Kurt Sowinetz überwirkliche Texte des satirischen Kronenenzeitungs-Kolumnisten Günther Fritsch.

Ihre Frage bezieht sich gewiss auf den Track “Betrunkener vor Kreuzung”, in dem der österreichische Persiflage-Gott Helmut Qualtinger als berauschter Wirtshaus-Gast Eduard R. den grantigen Straßenbahner in Uniform, Franz N., bittet, ihn über den Zebrastreifen zu führen. Als der Trinker umdrehen will und der Tramwayer weitere Hilfe ablehnt, kommt es zum Konflikt, der zu einer Rauferei führt. Dabei fällt der von Ihnen gesuchte altwiener Ausdruck. Er hat wenig mit dem öffentlichen Verkehr zu tun, aber viel mit unöffentlicher Heilung. „Antabus-Hittn“ nannte man damals das Therapiezentrum Anton-Proksch-Institut, als es offiziell noch „Stiftung Genesungsheim Kalksburg“ oder kurz Trinkerheilstätte Kalksburg hieß.

Antabus, wir dringen in den Kern ihrer Anfrage vor, ist der Handelsname des Arzneistoffes Disulfiram, auch Tetraethylthiuramdisulfid genannt, der zur Unterstützung der Abstinenz bei Alkoholabhängigkeit angewendet werden kann. Er hemmt den metabolischen Abbau von Alkohol. Wird während der Behandlung trotzdem getrunken, kommt es zu schweren Unverträglichkeitsreaktionen. Entdeckt wurde der Wirkmechanismus in Gummifabriken, wo Disulfiram als Hilfsmittel bei der Vukanisation diente. Die Arbeiter in diesen Fabriken klagten über Alkoholunverträglichkeit. Ein zutiefst unwienerisches Phänomen.


comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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