Der ideale Österreicher

Die österreichische Bundeshymne ist ein Lied von großer Wahrhaftigkeit. Es ist in aller Bescheidenheit ein Lied vom Land. Es handelt von Bergen, vom Strom, von Äckern und von Domen, von Hämmern und der Zukunft. Neben großen Söhnen werden inzwischen auch große Töchter besungen (weniger die kleinen), denn das Land ist vielgerühmt. Es ist allerdings auch vielgeprüft (wegen der Traglast hoher Sendung), heiß umstritten und wild umfehdet. Kein Wunder, dass die Liebe hilft, der Jubelchor und der Treueschwur.

Die Stadt kommt im Bundeslied nicht vor, nicht einmal eine kleine, alles handelt vom Land. Auch die Kunst kommt nicht vor. Nicht die bildende, nicht die darstellende, nicht die angewandte. Hier haken die Hymnen-Hermeneutiker ein, die da meinen: Das Land im Lied ist eine Metapher! Gemeint ist nicht die Provinz und ihre gemütlichen Fluren, sondern das Land als Gemeinwesen, als hingestreckter Heimatort, das Österland als Speisesaal der Seele. Kunst kommt vielfach vor, sagen die Erklärer und sie zeigen auf die Worte Berg, Strom, Acker, Dom. Die stünden für die alpine Skikunst, den elektrischen Rundfunk, die Kunst der Landwirtschaft und die vielen Schnitzaltäre und Kirchenorgeln. Und schließlich sei die Bundeshymne selbst ein Kunstwerk. Ihre Mucke. Und erst der Zeilen Gold! Und wenn es keine Kunst wäre, Österreich in drei Strophen zu beschreiben, erübrige sich jede Diskussion.

Peter Handke, Pariser aus Griffen und Serbe des Schmerzes ist wohl einer der „großen Söhne“, die die Bundeshymne rühmt, sendungsbelastet ist er, heiß umstritten und wild umfehdet, Weltcupsieger im Bücherschreiben.

Ein Sohn wie ein Lied.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19. Oktober 2019.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert