Wie narrisch ist das Schwammerl?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 39/2019 zum 25. September 2019.

Liebe Frau Andrea,
beim Zubereiten eines Eierschwammerlgerichts hat sich mir neulich folgende Frage gestellt: Als meine Geschwister und ich noch klein waren, waren wir oftmals sehr laut, unruhig und schwierig zu kontrollieren. Unsere Oma hat uns dann gefragt ob wir vielleicht „narrische Schwammerl“ gegessen hätten. Jetzt beschränkt sich mein einziger Kontakt mit etwas das in diese Richtung gehen könnte auf Reiseberichte aus fremden (meist asiatischen) Ländern, von Leuten die dort Magic Mushrooms probiert haben sollen. Unsere Oma kommt aber aus einem kleinen Dorf im Waldviertel und hat dieses zeitlebens kaum verlassen. Woher also diese Aussage? Gibt es halluzinogene Pilze im Waldviertel von denen ich nichts weiß? Oder hat sich der Begriff aufgrund von Erzählungen etabliert?
Liebe Grüße,
Johanna Schmidt, per Email

Liebe Johanna,

auch wenn nicht alle unserer Vorfahren dem Stamm der Hippies angehörten, waren sie doch fleißige und geübte Konsumenten bewusstseinsveränderter Substanzen. Nicht nur Alkohol und Nikotin waren Teil der Alltagskultur, auch der Konsum anderer Suchtgifte war weit verbreitet. Familiäre Echos darauf finden wir in Erinnerungen an den Mohnzutz (Opium), mit dem Landkinder ruhiggestellt wurden, an soldatisches Marschierpulver (Kokain) und an Panzerschokolade (Pervitin, heute als Crystal Meth bekannt). Alpine Knechte putschten sich mit Hittrach (Arsen) auf, Heroin wurde in den Apotheken unserer Urgroßeltern als Hustenmittel verkauft, Kokain als Schmerzstiller und Mittel gegen Heuschnupfen. Einen besonderen Platz in der Betäubungskultur unserer bäuerlichen Ahnen nehmen die narrischen Schwammerln ein. Der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata), ein unauffälliger Lamellenpilz mit daumennagelgroßem Spitzhut und dünnem Stiel. Die „narrische“ Wirkung wird durch die Substanz Psilocybin erzeugt, sie ähnelt jener von LSD, induziert körperliche Leichtigkeit und Energie, unkontrolliertes Gelächter, Freude, Euphorie und veränderte visuelle Wahrnehmung. Auch die Wiesen des Waldviertels waren natürliches Verbreitunsgebiet, wird der Pilz doch vom Dung weidender Kühen verbreitet.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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