Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 36/2019 zum 4. September 2019.
Liebe Frau Andrea,
ich weile gerade im Meereskurort an der Adria und stelle fest, die Kellnerinnen hier haben den Dreh raus (die Kellner auch): Es gibt keinen wackligen Tisch, den sie nicht stabilisieren können. Je wackliger desto besser. Wie machen die das? Ohne Untersetzer! Superschnell. Ist das geheimes Wissen? Ich versage permanent.
Vielen Dank für Ihre Hilfe,
Christopher Fitchett, Grado, per Email
Lieber Christopher,
unser Kollege Angus MacGyver ist momentan in arkaner Mission unterwegs, daher werde ich versuchen, das Rätsel für Sie zu lösen. Das Problem betrifft ausschließlich vierbeinige Tische, dreibeinige sind aus raumgeometrischen Gründen in der Regel wackelfrei. Wie versuchen wir, das Problem mit normalem Hausverstandswissen zu lösen? Wir suchen eines der beiden Beine, die je nach Tischneigung in der Luft hängen und schieben einen Keil darunter. Das können Bierdeckel sein, gefaltetes Papier, oder ein zugeschnitzter Korken. Wie aber machen das die Italiener? Bei ideal ebenem Untergrund suchen sie die Rändelschraube, die in einem der Tischbeine versteckt ist und drehen so lange, bis alle vier Beine Bodenkontakt haben. Falls der Tisch keine Drehverlängerung hat, arbeiten auch unsere südlichen Nachbar mit Unterlegern. Bei planen Böden, wie gesagt. Bei unebenen, und hier kommen wir zum Kern Ihrer Frage, geht es wesentlich schneller und einfacher. Aber wie geht der Trick? Drehen wir den Tisch sachte hin und her, um herauszufinden, ob es eine Richtung gibt, in der das Wackeln abnimmt. Nimmt das Wackeln ab, gibt es in der abnehmenden Drehrichtung einen Punkt, ab dem das Wackeln infinitesimal klein ist, der Tisch also mit allen vier Beinen aufsitzt. Finden wir diesen Punkt nicht, verschieben wir ihn etwas und probieren neu. In aller Regel sollte nach wenigen Ruckeleien eine Stelle gefunden sein, in der unsere Drehversuche zum Ziel führen. Dass der Tisch in der gefundenen Position nicht mehr ganz parallel zu seinen Nebentischen steht, sollte uns nicht weiter irritieren. Wackelfreiheit ist ein höhereres Gut und reicht ans Menschenrechtliche heran.
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