Die österreichische Garderobe

Besucher des Zauberlands Österreich lieben uns nicht nur für das Glühen unserer Weine und Alpen, für die Klarheit unserer Schnäpse und Seen oder den Klang unserer Zupfgeigen und Waldhörner. Ein bestechender Anteil an der Verehrung, die dem Land der Berge zuteil wird, gilt der Tracht. Unserer Tracht. Dem, was wir tragen. Das Schicksal, diverse Last, das Gewand. Aussehen erzeugt Ansehen.

Lange Zeit trugen wir, was da war, altes Zeug vom Haderntandler, Selbstgewirktes, Gewebtes aus der eigenen Kammer, im besten Fall modische Echos auf die Kleidung der Bürger in der nächsten größeren Stadt, im schlechtesten Fall, was der Dreissigjährige Krieg vom Mittelalter übergelassen hatte.

In der Spätromantik und Gründerzeit entdeckte das Großbürgertum Kittel und Kraxen. Die Hitze- und Lärmflüchtlinge aus der Metropole zogen sich an wie die Quartiergeber ihrer Sommerfrischen, liefen in knallbunten Sommerdirndln herum, speckigen Hirschledernen und ausladenden Tirolerhüten. Die Landbevölkerung antwortete mit ehrfürchtigem Dank, ließ sich bewundern und bestaunen. Kaum waren die Herrschaften wieder abgereist, gründeten sie Traditionsvereine und Trachtengesellschaften und erzählten darin eine Kostüm-Geschichte, die andere Klassen für sie zusammenkleistert hatte: Bourgeoisie, Aristokratie, Bühnenvolk. Nicht einmal der Kaiser nahm sich aus, sommers eine heile Welt der bäuerlichen Anzieh-Traditionen herbeizuflunkern, in der alles stolz war, frei und bildhübsch. Nur eines nicht, historisch.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1. Juni 2019.

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