Fünf vor Zwölf

Wer in Österreich ein Werk vollbracht hat, bringt das mit dem Ausdruck „Sitzt, passt und hat Luft“ zur Geltung. Damit ist alles gesagt. Die Entgültigkeit, die dem vermeintlichen Ergebnis innewohnt, der Anspruch, der zu erüllen war und die Lockerheit, die hierzulande dem Werk gewidmet wird.

Der Fuzzyness dieser Logik entspricht auch die Durchdringung des Landes mit dem Leitsatz „Nur ned hudeln“. Er wird bestätigt durch alle Fälle, in denen er nicht beachtet wird. Die Forderung „keine Zeit zu verlieren“ wird immer dann in Stellung gebracht, wenn anderes schon längst verloren ist, das Ziel, das Geld. Ein Plan könnte auch verloren gehen, gäbe es ihn denn. Was es gibt, ist das Sprechen über den Plan. Wie ja überhaupt Österreich eine große Besprechung ist. Tatsächliches Handeln bewirkt große Unruhe, ja wirkt störend auf die Konzentration ein. Diese wird dazu benötigt, der Handlung sprachlichen Raum zu geben, sprich, sie anzukündigen.

In Österreich wird gerne zu spät gekommen. Das ist kein Ausdruck von Unhöflichkeit, sondern vielmehr einer der Zuneigung. Zuspätkommende geben einander Sicherheit. Das eigene Zuspätkommen neutralisiert das des anderen und stellt Gemeinschaft her.

Jene Fälle, die Pünktlichkeit erfordern, stellen hohe Ansprüche an die Zeitmoral der Österreicher. So kennt das Land für die Knappheit, mit der etwas erreicht wurde den blumigen Ausdruck „ums Oaschleckn“. Obschon sich diese Formel längst in Dekadenz befindet, war sie vor der Jahrtausendwende vor allem in der Nachbetrachtung lokaler Reisevorgänge eminent. Man habe den Zug, den Bus „ums Oaschleckn“ derglengt (erwischt) oder eben nicht. Für die Befindlichkeit war und ist die Knappheit relevant, nicht das Ergebnis.

Wenn es nicht um kleine zeitliche, sondern um große qualitative Unterschiede geht, liegen wir nie falsch, den Ausdruck „ums Klavierspün“ zu benützen. Er ist die Verknappung der Feststellung: „Um den Unterschied mecht i Klavierspün kennan.“ Eine Hoffnung die in der Regel unerfüllt bleibt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 21.4.2018.

Ein Gedanke zu „Fünf vor Zwölf“

  1. Hi – ich schrieb dir auf FB, dass ich das „miassat“ vermisse. Mindestens so hinterfotzig und doppeldeutig wie 10 nach dreiviertel oder die Entschuldigung, man hätte etwas „ums orschlecken verpasst“ find ich das.
    Aber warum auch immer du das dann als „trollen“ betrachtest und mich rausschmeisst, das hab ich nicht verstanden.
    Ich mein, als ewiger Fan deiner Artikel frustet das mich das besonders.

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