Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 16/2018 zum 18.4.2018.
Liebe Frau Andrea,
unlängst wurden über hundert russische Diplomaten aus mehreren Ländern ausgewiesen. Ich stelle mir das als großes logistisches Problem vor, daher meine Fragen: Reisen die Ausgewiesenen mit großem Gepäck oder rechnen sie damit, ohnehin bald wieder zurück zu kommen? Hat Russland für solche Fälle so viele Diplomatenwohnungen zu Verfügung? Was passiert mit den Angehörigen (zum Beispiel schulpflichtigen Kindern)? Vielen Dank für ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
Alfred Reichel, per Email
Lieber Alfred,
das Ausweisen von Diplomaten ist eine Maßnahme, mit der sich Staaten mitteilen, dass der Segen zwischen ihnen schief hängt. An der Anzahl der Ausgewiesenen lässt sich die Stärke der Verstimmung ausmachen. Russland antwortet auf diplomatische Maßnahmen dieses Kalibers traditionell symmetrisch, es weist die selbe Anzahl an Diplomaten des betreffenden Staates aus. Details sind aus naheliegenden Gründen schwerer zu erfahren als die Reiseumstände von Popstars und Fußballmannschaften. Aus kleinen Hinweisen können wir uns dennoch ein Bild machen. So gab Anatoli Antonow, russischer Botschafter in den USA und zuvor stellvertretender Verteidigungsminister Russlands bekannt, dass im Rahmen der angesprochenen Ausweisungen zwei Flugzeuge mit insgesamt 171 Botschaftsangehörigen besetzt worden seinen – die 60 ausgewiesenen Diplomaten und ihre Familien. Die Botschaft ließ zudem verlauten, sie habe das beste unternommen, um die Abreise auf ruhige Weise zu organisieren. Im traditionell um steife Oberlippe bemühten Diplomatensprech bedeutet das nicht weniger, als dass die überstürzte Abreise Unmut und Unruhe bei den Betroffenen und Logistikdruck bei den Verantwortlichen erzeugt hat. Wir dürfen die Vorgänge also durchaus als zwischenmenschlichen Hebel verstehen. Gleichwohl sind Diplomaten und ihre Familien bestens ans Nomadendasien adaptiert. Schulkinder besuchen internationale Schulen, deren Lehrpläne weitgehens synchronisiert sind. Leidensdruck mag vielleicht aus der Schnelligkeit der Vorgänge erwachsen. Und aus der Ungewissheit über eine mögliche Rückkehr in hippe Metropolen und vertraute Umgebung.
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