Advent

Die vier Wochen vor Weihnachten gelten Gläubigen und sentimentorientierten Österreichern christlicher Prägung als besinnliche Zeit. Es wird der Ankunft des Herrn gedacht, im Sprachgebrauch der Bevölkerung Christkind, Jesus-Knabe, Gottessohn genannt, Heiland, Haupt und Richter, König aller Könige und Herr aller Herren, Licht der Welt, Friedens-Fürst und Menschensohn, Alpha und Omega, Erlöser, Vollstrecker und Retter, Weg, Wort und Brot, Bräutigam der Kirche, guter Hirte, Lamm Gottes, wahrer Weinstock, Wahrheit überhaupt, Leben, Sinn.

Der Advent des Jahres 2017 hält eine unerwartete zweite Ankunft bereit. Das Kommen der erlösenden Koalition. Im Rahmen der Unmöglichkeit, Zukünftiges aus Vergangenem zu errechnen und Ahnungen gültige Gewissheiten zu entreißen, starren die Deuter in die Esse, in der Strachler und Bastianisten ihre Regierungsideen schmieden. Statt glühender Schwerter, Pflugscharen oder Buttermesser präsentieren uns diese emotionale Aspekte ihrer Kunst: Lachen, Grinsen, Schulterklopfen, Freundlichkeiten aller Art. Das ist neuer Stil. Gelebte Liebe, Kameradschaft, Respekt. Ahnte man nicht Härteres, der Anbruch der Weichzeit kündigte sich an. Weich gebettet sind wohl die Hoffnungen der Leistungsträger und Habenden. Notständischen drohen oberösterreichische Verhältnisse. Frauen der Herd. Studierenden engere Gürtel. Wird Schwarzblau unter dem Christbaum liegen, oder das türkise Edelweiß? Werden zu Weihnachten gar zwei Könige kommen?

Der Advent, lateinisch adventus, die Ankunft, hat sprachliche Verwandtschaft. Sie kommt über das mittelfranzösische aventure vom Partizp Futur des lateinischen Verbs advenire (herankommen, sich ereignen): Adventurus, das Abenteuer. Die ältesten Literaturbelege stammen aus dem 12. Jahrundert, wo mit dem Begriff das Schicksal, der Zufall, das unerwartende Ereignis bezeichnet werden. Zufällig Geschehendes, nachgezeichnet in der gefährlichen Bewährungsprobe eines ritterlichen Helden, gesucht aus eigenem Antrieb und durch wunderbare Fügung für ihn ganz alleine bestimmt. Heldenzeit.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2.12.2017.

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