Undank ist der Email Lohn

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 23/2017 zum 7.5.2017.

Liebe Frau Andrea,
darf man ein Email unbeantwortet lassen? Mein Freund meint, webbasierte Unhöflichkeit greift um sich. Bin ich zu empfindlich?
Liebe Grüße,
Robert Reya, Neubau, per Email

Lieber Robert,

der elektronische Schriftverkehr hat wesentliche Charakteristika seiner Umgangsformen aus zwei frühen angloamerikanischen Quellen geschöpft: Dem knappen Befehlston der Militärs und der nerdigen Lingo der Informatiker. Obschon wir uns im Netz mittlerweile in anderen Sprachen, aus anderern Beweggründen und in anderen Kulturhorizonten bewegen, haben sich viele der frühen Eigenheiten in das Medium eingeschrieben. Marshall McLuhans 1964 geprägtes Diktums „The media is the message“ (das Medium ist die Botschaft) wird in jedem Email, in jeder Direktnachricht, in jedem Facebook-Posting, in jeder Handy-SM, in jedem Tweet mitgeschickt.

Das Nichtbeantworten einer Email kann vielerlei Gründe haben. Schon die ungetrübte Erreichbarkeit ist nur ein Phantasma. Mailboxen können verstopft sein, Server abgestürzt, Spam-Filter falsch eingestellt, Abruf-Protokolle korrupt. Der häufigste Grund für eine fehlende Antwort indes ist unsere Erwartungshaltung. Die ständige Erreichbarkeit unserer Emailadressaten hat oft genug keine Entsprechung in der Realität. Erreichbar ist technisch gesehen nur die gültige und funktionierende Emailadresse. Über die Inhaber und ihre Disposition sagt es im Falle der Nichtbeantwortung nur eines aus: Nichts näheres ist bekannt. Menschen haben Termine, Tageszeiten, Abkömmlichkeiten, uns schließlich eines: Lust und Laune. Manches Email will komplexer beantwortet werden. Manche Botschaft nicht vom Überschwang falscher Gefühlslagen eingetrübt werden. Gute Antworten brauchen länger. Geben wir einander diese Freiheiten zurück. Inklusive der Freiheit der Unerreichbarkeit. Messen wir Höflichkeit im Netz nicht an der Länge der Grußformeln. Diese wurden in absolutistischen Gesellschaften entwickelt und wurzeln nicht tiefer in Wahrhaftigkeit als schnell hingetippte Emoticons. Die besten Ergebnisse erzielen Kommunikationspartner, die sich im selben Sprachspiel befinden. Und vergessen wir Paul Watzlawick nicht: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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