Paludrakunde für Exilkärntner

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 19/2017 zum 10.5.2017.

Liebe Frau Andrea,
ich bin Kärntner und verwende ein Wort, ein Überbleibsel, unbewusst mitgeschleppt, von dem ich nicht weiß, ob es überhaupt existiert: „Balludra“. Kennen Sie das oder spinne ich? Danke für die Bemühung.
Liebe Grüße,
Peter Legat, Neubau per Facebook-Direktnachricht

Lieber Peter,

Sie spinnen nicht, das Wort existiert und es ist auch anderen Kärntnern bekannt. Es schreibt sich allerdings anders als sie kolportieren, nämlich nicht „Balludra“, sondern „Paludra“. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kommt das Wort aus den südlichen und südwestlichen Nachbarregionen Kärntens und den dort geprochenen Sprachen, dem Italienischen, Dolomitenladinischen und Friulanischen. Im Trento und in Friaul bezeichnet „palu“, „palude“ den Sumpf. Es kommt vom gleichbedeutenden lateinischen „palūs“ (Genetiv: palūdis).

Im Land der untergegangenen Sonne, der Heimat des Bademantelgesangs bezeichnet „Paludra“ nicht mehr die morastige Kloake, sondern in poetischer Neubewertung den durchscheinenden Kaffee, die dünne Brühe, das gestreckte Getränk. Das was die Deutschen in sehr ähnlicher Form als „Plörre“ kennen und die Wiener (ganz anders) als „Gschloder“. Die Kärntner Mundartberichterstattung hat sich mehrheitlich darauf geeinigt, mit „Paludra“ den schalen Kaffee zu bezeichnen. Der semantischen Ursprung dürfte in einem der vielen Kaffee-Ersatz-Produkte zu finden sein, die in Mangelzeiten die Tassen der Bevölkerung gefüllt haben.

Kaffeeersatzgetränke wurden aus Bucheckern, Dattelkernen, Erdmandeln und Feigen gebraut, nicht selten auch aus Getreide (beliebt war Malzkaffee, eigentlich gemälzte Gerste, sowie Roggen, und seltener Mais und Dinkel). Als Kaffeesurrogate dienten aber auch Hagebutten, Kaffeewicke, Kartoffeln, Kastanien, Lupinen, Mandeln, Möhren, Spargel, Traubenkerne, Vogelkirschen sowie Zuckerrüben. Die Wurzeln von Löwenzahn und Zichorie (der Wegwarte) sorgten indes für die Bezeichnung „Blümchenkaffee“. Das Deutsche kennt das Streckungsmittel als „Muckefuck“, es wurde wahrscheinlich aus dem französischen „Mocca faux“ (falscher Kaffee) verschliffen. Das Wienerische nennt die Zichorie-Paludra schlicht: „Ziguri“-Kaffee.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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