Bildung in Österreich

„Aufklärung“, teilt uns der Philosoph Immanuel Kant 1784 mit, sei „der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit“, so der Großdenker weiter, sei „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet“ sei „diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. (…)“

Das Zitat wird in Stellung gebracht, wann immer schwächere Definitionen seinen Einsatz erforderlich machen. Im katholifizierten Österreich ging es dabei vorrangig gegen die Allmacht der Kirche in Fragen des Glaubens. Die Aufklärung, wie sie uns Kant in seinem Text nahebringt, wollte (und will) aber auch Licht in andere Verliese bringen. „Faulheit und Feigheit“, benennt Erheller Kant die Kräfte der Beharrung, seien „die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (…), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben;“ und warum es Anderen so leicht werde, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.“

Fühlen wir uns nicht erkannt? Ertappt auf dem Rückzug in alte Verliese? Wir Wutbürger, Faktenzweifler, und Fake-News-Abonnenten, wir Elitenablehner, Bierzelt-Intellektuelle und Bildungsverweigerer? Wir Verschwörungsopfer, wir Abgehörte, wir Überwachte?

Gewiss, wir kennen Kants Zitat. Aber wir haben es nicht verstanden. Wir genießen die Unmündigkeit und gefallen uns in gleißendem Zorn, nähren die Paranoia, füttern die Angst. Und wenn unsere satt ist, füttern wir die der anderen. Werden Sachwalter und werfen uns zu Vormündern auf.

Kant hat an anderer Stelle einen Ausweg aus dem Dunkel jeder Bildungsmisere angeboten. Die politische Theoretikerin Hannah Arendt hat ihn 1964 in einem Radio-Gespräch mit Joachim Fest in Nachbetrachtung der Gräuel des Nationalsozialismus aufgegriffen und in deutliche Erinnerung gebracht: Jeder sei Gesetzgeber. Kein Mensch habe das Recht zu gehorchen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 6.5.2017.

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