Österpferd

Mit den Begabungen ist es so eine Sache. Im Rahmen zufallsbedingter Grausamkeit sind sie ungleich verteilt. Dumme setzen Kluge in die Welt und Kluge Dumme. Zwar nicht immer, aber doch mit auffallender Regelmäßigkeit. Anders als im Sprichwort fällt der Apfel meist weit vom Stamm. Um das auszugleichen, wurde das Instrument der Chance erfunden. Der Begriff hat nur bedingt Berechtigung sein Ziel zu erreichen, haben wir ihn doch vom gleichlautenden französischen Wort entlehnt, das seinerseits auf das frühromanische „cadentia“ zurückgeht, das vom lateinischen „cadere“, fallen kommt. Die Chance ist also nicht das Entdecktwerden, die Möglichkeit des Aufgehobenwerdens (um beim Beispiel unseres Apfels zu bleiben), sondern nur das Fallen selbst. Herbert Achternbusch hat dem mit dem luziden Befund geantwortet: „Du hast keine Chance, aber nutze sie“. Die Claqueure neoliberaler Streberei haben den Satz allerdings auch entdeckt und werfen ihn allen zu, denen sie übel mitspielen wollen. Strauchelnden mit optimistischer Disposition schießen sie auch gerne die Idee vom Zugang nach. Zugang zu Chancen (wie perfide), Zugang zu Bildung, Zugang zum Markt, Zugang zu Zugängen. Den Chancennutzern wird also ein Zugang in Aussicht gestellt, auch wenn sich beim Durchschreiten, ja schon beim Anblick desselben die Frage stellt, wohin er führt. Gemeinhin hat sich für die hier dargestellten Zusammenhänge die Formel etabliert: Nicht wer fällt, wird entdeckt, sondern wer auffällt. Dieser Mechanismus ist komplex und erzeugt Spin, der nicht allen einsichtig ist. Besonders in Österreich. Dem Land der Hämmer, zukunftsreich! Wird doch die Chance hierzulande nicht mit Fallen verbunden, sondern mit Gefallen. Mit Gefallen als Ausdruck einer schätzenden Zuneigung, aber auch mit dem Gefallen, dem kleinen Dienst. Wer gefällt, fällt auf, fällt hinauf. Dabei ist zu beobachten, dass Eignungen keine große Rolle spielen in diesem Aufstiegsspiel. Schönheit, Chuzpe und Härte sind die Generaltalente, die zu Höherem berufen. Eignung war einmal.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1.4.2017.

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