Schneemann und Zaunfreude

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 49/2016 zum 7.12.2016.

Liebe Frau Andrea,
unlängst, wir feiern ja die Zeit der kollektiven Freude, bin ich über den Glücklichen, “dea si wia a Schneemau gfreit“ gestolpert. Trotz intensiver Versuche, in der Starre und Kälte Freude zu empfinden, bleibt mir ebendiese verwehrt. Da helfen nur diverse Heißgetränke oder ein Tipp Ihrerseits.
Warme Grüße aus Wr. Neustadt,

Ihre Barbara Pacholik, über das Smartphone gesendet

Liebe Barara,

mit dem “Glücklichen, dea si wia a Schneemau gfreit“, identfizieren wir auch hier in Wiener Altstadt den “Glücklichen, der sich wie ein Schneemann freut”. Woher kommt unser Frostjubler und welche Bedeutungen werden ihm eingeschrieben? Heißt er überhaupt Schneemann und was speist seine Freude? Betrachten wir den jüngeren Mythenschatz der Republik.

Aus dem “Schnee, auf dem wir alle talwärts fahr’n”, werden keine Männer gebaut. Zumindest nicht in Hans Hölzels Welthit “Der Kommissar”. Obwohl Kokain wegen seiner Konsistenz und Farbe gerne mit dem Namen des winterlichen Niederschlags bedacht wird, hat weder dieses, noch das zweite Synonym für die Aufputschdroge mit dem Schneemann zu tun. Der muss heute ohne schwarze Augen, Mund und Knöpfe aus Koks auskommen. Die Freude des Schneemanns ist also nicht die Freude des Drogenlieferanten, auch wenn Falco diesen in einem anderen Song verewigte: “Mutter, der Mann mit dem Koks ist da!” Geht es womöglich gar nicht um das Gaudium des Schneemanns?

Wir kommen der Sache näher, wird doch als Schneekönig ein kleiner Vogel bezeichnet. Troglodytes troglodytes, so sein wissenschaftliche Name, ist in unseren Breiten auch unter dem Zweitnamen “Zaunkönig” bekannt. Der kleine Eierleger steht im Ruf gerissener Schlauheit, Aristoteles und Plutarch nannten den Höhlenschlüpfer “Basiliskos” (kleiner König) und “Basileus” (König). Schneekönig heisst der unscheinbar-braune Insektenfresser aus der Ordnung der Sperlingsvögel, weil er den Winter daheim bei uns verbringt. Die heimatverbundene Freude, die er auch in klirrender Kälte entfaltet, äussert sich in lautem und variationsreichen Gesang. Das Repertoire des Schneekönigs umfasst ein gutes Dutzend Lieder. Tirillí, tirillá! Auch in starrendem Frost und dichtem Treiben.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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