Die Zeit der Zeit im Bild

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 42/2016 zum 19.10.2016.

Liebe Frau Andrea,
weiß eigentlich irgendwer, warum die Zeit im Bild, ausgerechnet um 19:30 läuft? Meine Großeltern verbitten sich Anrufe um diese Zeit.
Tanja Oprschall, Neubau, per Facebook-Direktnachricht

Liebe Tanja,

im Zeitenlauf der Österreicher gab zu Pre-Internet-Zeiten einen, für alle verbindlichen und unverrückbaren Termin. Das ganze Land richtete sich nach ihm. Er fand während einer magischen halben Stunde am frühen Abend statt. Zu dieser Zeit durfte man in Österreich niemanden anrufen, geschweige denn besuchen. Der Termin hatte so weit reichenden Magnetismus, dass Geschäfte mangels Umsatz um diese Zeit längst geschlossen hatten. Wir sprechen von der Uhrzeit 19 Uhr 30. Der tägliche Beginn der „Zeit im Bild”.

Für die Wahl des Beginns der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes habe es eigentlich keinen wirklichen Grund gegeben, erinnert sich der Miterfinder und Namensgeber der ZIB, der spätere ORF-Generalintendant Teddy Podgorski. Ein Motiv für den Sendungsbeginn könnte darin vermutet werden, so Küniglberg-Insider, dass der erste Fernsehdirektor Gerhard Freund gelernter Schauspieler war und sich daran orientiert hatte, dass auch die Wiener Theater um halb acht den Vorhang heben. Experimente mit Beginnzeiten um sieben oder acht Uhr hatten sich indes nicht durchgesetzt. Halbacht war die Heilige Zeit. Vorhangzeit.

Die Zeit im Bild war nach BBC-Vorbild als Sprechersendung konzipiert. Nachrichtensprecher lasen vor der Kamera die Meldungen vor. Sie wurden geliebt und in ähnlicher Intensität wie die Skifahrerinnen und Skifahrern verehrt. Für Wiengeborene gab es mangels Bergen und Pisten nur eine Chance, nationale Berühmtheit zu erlangen: Eine Karriere als Fernsehsprecher. Die Stimmen und Gesichter von Annemarie Berté, Peter Fichna, Walter Richard Langer, Frank Lester, Horst Friedrich Mayer, Gerd Prechtl, Heribert Queste, Herbert Slavik, Danielle Spera, Ursula Stenzel und Wolfgang Riemerschmid haben sich in die österreichische Großhirnrinde eingeschrieben. Man glaubte an diese Leute! Und wer ZiB schaut, glaubt noch. Denn die Sendung läuft nach wie vor. Für ein altersmässig vorgerücktes Publikum von Sentimentalinskis. Ad multos annos!
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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