Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 36/2016 zum 14.9.2016.
Liebe Comandantina,
mit heller Freude habe ich gelesen, was Sie so alles in Zusammenhang mit dem dzt. „blauen Sektor“ herausgefunden haben. Aber eines fehlte mir, oder habe ich es übersehen? Woher kommt der Begriff „Blaues Wunder“? P.S.: Hoffentlich erleben wir in nächster Zeit kein furchtbares Blaues Wunder!
Liebe Grüße
Gertrude Ackermann, Favoriten, per Email
Liebe Gertrude,
im Rahmen der Aufklärung kann diese Kolumne zwar Licht in die verborgensten Winkel bringen, muss sich aber aus Platzgründen den ausführlichen politischen Diskurs verbieten. Bleiben wir bei den kulturgeschichtlichen Evidenzen. Nach allem Ermessen ist die Farbe Blau schlecht beleumundet. Blaue Pigmente waren entweder zu billig oder zu teuer und malerisch nur dem Himmel und dem Mantel Mariens vorbehalten. Aus Gründen, die dort verortet sind, haben die französischen Könige Blau als royale Farbe adoptiert. Etwas weniger Günstiges ist über die Blaublütigkeit zu berichten, die den westgotischen Aristokraten in Iberien zugesprochen wurde, wegen ihrer hellen, die Venen blau durchschimmernden Haut. Kommen wir in die Heimat. Hier kennen wir das blaue Auge (kein gutes Erlebnis) und die Blauäugigkeit (die naive Gutgläubigeit). Blau gilt als symbolische Farbe der Täuschung, der Verstellung und der Lüge. Blau ist, wer sich heimatlich-resch eingestamperlt hat, also dem Alkohol zugesprochen hat. Blauen Dunst redet, wer Versprechen nicht einzuhalten gedenkt oder sonstwie Unsinn von sich gibt. Relativ unbeliebt, wenn auch meist lügenfrei ist der Blaue Brief.
Kommen wir zum Blauen Wunder. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt es aus dem sächsischen Erzgebirge, genauer aus dem Grubenstädtchen Schneeberg. Dort wurde das bis dahin als Silberräuber oder Scheißerz bekannte Kobalt (eigentlich Kobolt) um 1550 als jenes Erz erkannt, aus dem sich künstliches Blau gewinnen ließ. Das ungeliebte Kobold-Erz war plötzlich heißbegehrt und galt als Blaues Wunder.
Parallel dazu zirkuliert ein Erklärmodell, bei dem das Blaue Wunder jenen Farbumschlag vom Gelbbraunen ins Blaue bezeichnete, der beim Zubereiten der Färberpflanze Waid auftritt. Was heutige Blauwunderer möglicherweise nicht bedenken: Falsch angerührt kann Färberwaid auch die Farbe Grün ergeben.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina