Österreichs große Gipfel

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 3.9.2016.

Es ist ein schönes Land, zu Bergen aufgeworfen, vom Strom durchflossen. Es locken Äcker und Dome, es klingen die Hämmer, es leuchtet das Zukunftsreich. Große Töchter werden besungen – wenn die großen Söhne wollen. Insgesamt ist das Volk zwar nicht gegendert, aber begnadet, und zwar für das Schöne. In Paula Preradovićs Text für die Hymne der Republik geht es ans Eingemachte. An Ahnentagen, beladen mit der Sendung Last, schreitet das Volk in neue Zeiten. Arbeitsfroh und hoffnungsreich, von Jubelchören beschworen. Nun gut. Nationale Tongefüge übertreiben, sie sind der Parodie stets näher als dem Ernst. Vielgerühmt, so die Konklusio des oberste Landesgesangs, ist dieses Österreich, vielgeprüft und vielgeliebt.

Das Wesentliche aber bleibt ungesagt. Wie geht es dem Gast? Darf er, soll er, oder muss er schon? Österreich ist bekanntlicherweise in erster und fast ausschließlicher Linie ein Gastland. Land der Gäste, nächtigungsreich. Es dominiert aber nach moderner Auslegung durch das Staatsvolk weniger die Gastfreundschaft denn die Gästefreundschaft. Denn Gäste (man spricht “Gästi”) bezahlen für ihren Aufenthalt, sie kosten nicht. Dieser wesentliche Umstand unterscheidet die eine von der anderen Willkommenskultur, zwischen ihnen verläuft jene heiß umfehdete Demarkationslinie, die das Hofervolk vom Van-der-Bellen-Volk trennt. Der Hättiwarigraben. Neuer Zeiten Sendung Last.

Gäste sind gesucht, wenn sie betucht sind. Zumindest in den Touristenzentren des Landes. Bringen die Ausheimischen Gold und Geld, spielen Sitten und Mores, Aussehen und Mode keine Rolle mehr. Wider alle Bekundungen von Plakatdichtern und Schlagzeilenschnitzern geht es also bei den jüngsten nationalen Beunruhigungen nicht um Werte und ihre Debatten, sondern um touristische Perspektiven. Das sind insgesamt erfreuliche Nachrichten aus dem Inneren der Bergnation, belegen sie doch eine latente Ausländerfreundlichkeit. Diese muss nur wachgekitzelt werden durch die Aussicht auf ökonomische Relevanz. Volk begnadet für das Schöne.

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