Geschützter Bereich

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 9.7.2016.

“Wos woa mei Leistung?” Die berühmte Frage gehört zu den Standarddialogen im privatfiskalischen Bereich. Typischerweise stellte sie ein österreichischer Entrepreneur. In der trügerischen Sicherheit telephonischer Intimität. Österreichische Beamte wüssten jederzeit und jedernorts, was ihre Leistungen waren. Sie würden dies aber niemals am Telefon sagen. Der geschützte Bereich arbeitet nicht mit Selbstbezichtigungen. Ein österreichischer Akt (Beamtensprech für: Die Leistung) befindet sich immer an einem bestimmten Ort und in einer bestimmten Zuständigkeit. Die einzige Frage eines Individuums in der österreichischen Gubernalrealität kann also nur lauten: “Wos woa mei Akt?”

Österreichs Beamte irren nie, zu groß ist ihre Expertise, zu präzise ihr Urteil, zu wichtig ihr Beitrag am gedeihlichen Funktionieren des Landes. Österreichs Beamte irren nicht, sie machen allerhöchstens was zu Fleiß.

Jemandem etwas zu Fleiß zu tun (sprich: wem was z’fleiß mochn) hat bekanntlich die Bedeutung, jemand bewusst, böswillig und mit vorsätzlicher Akribie zu schaden. Woher kommt diese Verquickung von etwas so positiv konnotierten wie Fleiß mit der Untugend der Bosheit? Die Wendung scheint ein Wiener Spezifikum zu sein. Dass man jemand schaden kann, in dem man fleissig ist, sich also in Ausübung einer Tugend absichtlichen zur Unbill eines anderen aufwerfen kann, verweist auf Jahrhunderte der notariellen Übung in der Aktenschriftstellerei der Reichshaupt- und Residenzstadt. Die byzantinische Fingerfertigkeit der Perfidie stand im Überwachungsstaat des Fürsten Clemens Wenzel von Metternich in Hochblüte. Im Zentrum unserer Betrachtungen über Fleiß und Leistung darf also auch der bureauinterne Aspekt des Z’fleißmachens stehen. Schädigt in Kanzleifragen doch der Übereifer des Einzelnen das verwalterische Kollektiv. Moderne Satiriker nennen die Resultiernde aus diesen Tugendaspekten “Beamtenmikado”.

Gelernte Österreicher merken sich zwei Sätze: “Jedes Schriftl ist eine Giftl” und “Jedes Telefonatl ein Verratl”.

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