Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 28/2016 zum 13.7.2016.
Liebe Frau Andrea,
ich weiß nicht mehr, wo ich den Begriff aufgeschnappt habe. Angeblich können alle Österreicher ein Lied singen, das “Landalied”? Was bitte ist das? Ich müsste es ja auch singen können!
Verwirrte Grüße vom Bobogrund, Leo Kaspar, 1090 Wien, per Email
Lieber Leo,
auf der 1985 erschienenen Langspielplatte „I oder I“ läßt der Kabarettist Lukas Resetarits sein Alter Ego Branko Simic über das “Estareichersein“ vom Leder ziehen: Branko Simic, kroatischer Gastarbeiter der ersten Generation, paukt für die begehrte Staatsbürgerschaft. Das Einmaleins des Österreichertums hat Branko schon am Bau gelernt. Wie man mit dem Chef trinkt und diesem nach dem Munde redet, was man wissen soll und was nicht: Geschichte nur seit 1945. Lieder nur davor. Sein Supersohn ist auch schon assimiliert, hat den Hauptschul-B-Zug (B für besser) absolviert und schreit „Tschuschen raus“ am Fußballplatz. Die Hymnen des Landes kann Branko auch schon, das „Horst-Wessel-Lied“, den „Westerwald“. Nur eines müsse er noch „iben“, so Simic, das “Lanterlied”. Das Lied vom elektrischen Strom. Und dann schmettert Resetarits/Branko mit dem Tenor der Ergriffenen: „Lanter Berge, Lanter Strome, Lanter Ekar, Lanter Dohume …“
Unschwer kann im “Lanterlied” unsere aktuelle Bundeshymne erkannt werden. Um nach den Wirren von Bürgerkrieg und Nazidiktatur einen neuen Staatssong zu bestimmen, hatte der Ministerrat das Freimaurer-Bundeslied „Brüder, reicht die Hand zum Bunde“am 22. Oktober 1946 zur Bundeshymne erklärt. Die Komposition hielt man für ein Werk Wolfgang Amadeus Mozarts, zum Text gelangte man über ein Preisausschreiben, in dem die kroatische Lyrikerin und Erzählerin Paula von Preradović als Siegerin hervorgetreten war. (Die Melodie stammt indes gar nicht vom Nationalheiligen Wolferl, sondern vom 1753 in Korneuburg geborenen und 1818 in Wien verstorbenen „Claviermeister“ Johann Holzer, dem Hauskomponisten von Mozarts Loge.)
Das schwerfällige Pathos der Melodie beendete jahrzehntelang die Sendezeit des Österreichischen Rundfunks. 2011 wurde das “Lanterlied“ im Zuge einer parteiübergreifenden Gesetzesinitiative feminisiert. Sehr zum Mißfallen der Rechten im Land müssen jetzt auch die Töchter besungen werden. Branko Simic gefällt das. Lantertechta.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina
„Die Österreichische Oberfläche“. Seite 198 bis 204 …….. Die Lesung war am 9.11.2007 . Liebe grüße nach Bobopol!