Abfahrt

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19.3.2016.

Im Rahmen seiner Identitätssuche hat das Land der Berge immer wieder nach verbindenden und verbindlichen Staatssymbolen gesucht. Zwischen Habsburg und Hitler, Abendland und Alliierten konnte Österreich am künstlerischen Titanentum nicht vorbeigehen. Mozart wurde fest gespielt, seit man damit Geld verdienen kann, Haydn etwas weniger fest, und das Neue Jahr kommt direkt aus der Straussen Feder. In der Mode regiert die Tracht aus vorvergangenem Jahrhundert, zumindest wenn der Anlass nationaler Natur ist. Wobei nicht ganz klar ist, ob mit dem Nationalen auch die Nation gemeint ist, gilt doch ausgesprochen wie unausgesprochen das Ius sanguinis, das Blutrecht. Östarecher bleibt Östarecher, Tschusch bleibt Tschusch. Auch die Deutschen bleiben Deutsche, erstens bleibt es lebenslang hörbar, zweitens wollen sie es auch gar nicht anders. In der Politik indes hat Österreich nie aufgehört deutsch zu sein. Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Pieffkes und Ösis sind zu groß für Alleingänge Schnitzellands.

Nur in einem kann uns Deutschland niemals das Wasser reichen, Córdoba hin, Córdoba her. Im Schifahren. Im Schifahren ist der Österreicher dem Deutschen überlegen. Muss doch der Germane, um sich in den Schilift zu stellen, erst mit dem Auto anreisen. Das dauert. Derweil sind die Einheimischen schon wochenlang herumgewedelt. Und wenn der Germane abreist, hört für den Hiesigen das Wedeln nicht auf, nicht das Schranzen, nicht das Klammern, nicht das Maiern und nicht das Hirschen. Wir sind die geborenen Weltmeister und Goldberger.

Als Königsdisziplin aller Österreicherei gilt das Abfahren. Die Abfahrt ist das Schönste und Schwierigste, was das Land dem Heldentum bieten kann. Wer der Mausefalle entkommt, wer von der Kompression nicht zerdrückt wird, insgesamt: Wer die Streif überlebt, ist unsterblich. Für das Unbewusste der Österreicher haben diese Geltungen fatale Auswirkungen. Nicht der Aufstieg wird bejubelt, sondern allein das schnelle Erreichen der Talsohle. Das Hinunter ist das Verbindende im Land.

2 Gedanken zu „Abfahrt“

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