Das Mekka der Mekkasemantik

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 04/2016 zum 27.1.2016.

Liebe Frau Doktorin,
fieberhaft warte ich jede Woche auf Ihre Antworten zu den kuriosesten Fragen. Nun habe ich auch eine! Gerade eben im ORF, wie so oft die Floskel gehört: „Kitzbühel, das Mekka des Sports“. Wem ist ursprünglich die Idee gekommen ist, etwas als “das Mekka“ zu bezeichnen, wenn man so etwas wie eine Hochburg meint?
In freudiger Erwartung und mit herzlichen Grüßen,
eine begeisterte Falter-Leserin aus Linz,
Gisela Schreiner

Liebe Gisela,

als Mekka aller Mekkas dürfen wir Mekka selbst identifizieren, den zentralen Wallfahrtsort des Islams, die Geburtsstadt des Propheten Mohammed. Die Stadt mit dem Beinamen ‘al-Mukarrama’, die ‘Ehrwürdige‘ beherbergt das Heiligtum der Kaaba und ist Ziel der muslimischen Pilgerreise Haddsch.

Schon in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts ist unsere Mekka-Floskel etabliert. Dem bürgerlichen Publikum war die globale Bedeutung der Pilgerstätte Mekka bekannt, im Bewußtsein der Lesenden übertraf sie längst jene der europäischen Religionsattraktoren Rom, Santiago und Jerusalem. Ein Beispiel für frühe Mekkanomastik finden wir 1865 beim deutschen Kunst- und Literaturhistoriker Adolf Friedrich Graf von Schack. In seinem Werk „Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien“ fragt er nach “Cordova, dem Mekka des Occident”. Schacks Text ist nur ein Beispiel unter vielen dieser Zeit. Im “Illustrierten Kalender für 1871, dem Jahrbuch der Ereignisse, Bestrebungen und Fortschritte im Völkerleben“ wird etwa Paris als Schriftsteller-Mekka des Abendlands vorgestellt. 1874 bezeichnet der Thelogieprofessor Otto Zöckler in einer christlichen Monatsschrift für Gebildete Ephesos als “das Jerusalem, Rom oder Mekka des heidnischen Vorderasiens”. Es sind solche Texte, die lokale Zentren mit der Mekka-Vokabel aufladen.

Was wir heute wahrnehmen ist längst der Niedergang der Mekkanomastik. Beispiele Gefällig? Lauterbrunnen, das Mekka der Basejumper; Roding, das Mekka der Waldarbeit; Limburg, das Mekka der Chorleiter; Klein-Belitz, das Mekka der Brieftaubenzüchter; Gülpe, das Mekka der Sterngucker; Burghausen, das Mekka der Eisschwimmer; Gestungshausen, das Mekka der Kleintierzüchter. Ein Paradigmenwechsel droht. Lange wird es nicht mehr dauern, bis wir solches lesen werden: Mekka, das Kitzbühel des Islam.

www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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