Lesters lindfarbenes Lilienporzellan

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 01.02/2016 zum 13.1.2016

Liebe Frau Andrea,
wir diskutieren innerhalb unseres Kaffeekränzchens (Architekten und Designer sind auch dabei), ob man Lilien-Porzellan farblich durchmischt deckt, also rosa Untertasse zur hellblauen Tasse, oder nicht. War das gar der ursprünglicher Gedanke der Lilienporzellanmacher? Und wieso überhaupt „Lilien“?
Viele Grüße,
Hartmut Fischer, Alsergrund, per Email

Lieber Harmut,

das Diskursporzellan ihres Designerkränzchens hat seinen Namen von den drei Lilien im Wappen der Mostviertler Gemeinde Wilhelmsburg. Diese wiederum bezieht ihre sphragistische Identität vom nahe gelegenen Stift Lilienfeld. Schon seit 1795 wird in Wilhelmsburg Porzellan produziert, Ende des 19. Jahrhunderts war das Werk zur größten Steingutgeschirrfabrik Österreich-Ungarns aufgestiegen. In der Wirtschaftswunderzeit führte der damalige Eigentümer Conrad Henry Lester den Markennamen Lilien-Porzellan ein. Unter diesem Namen wurde unter anderem die erfolgreiche Serie “Daisy” erzeugt. Die pastellfarbenen Tassen und Untertassen wurde zum ersten Mal 1959 präsentiert, und schon Anfang der 60erjahre servierte jeder zweite österreichische Haushalt Kaffee in dem beliebten Geschirr! Anfangs wurden die Services in durchgehender Farbe verkauft, also entweder in Rosa, einem blassen Violett, zartem Hellblau, fahlem Hell- und stumpfem Dunkelgrün oder bleichem Gelb. (Die dazugehörigen Kaffeekannen, Milchgießer und Zuckerdosen der unverwechselbar konisch geformte Serie waren stets weiß gehalten.) Produktionsbedingt ergaben sich Unterschiede in den Farbnuancen. Nach häufigen Reklamationen kamen die Lilienleute auf die pfiffige Idee, die sechs verschiedenen Farben zu einem Service, dem Dekor „Melange“ zu kombinieren – Farbnuancen fielen nun nicht mehr auf. Verkaufsfördernd war zudem eine 20-jährige Nachkauf-Garantie. Trotz Millionenauflage erwirtschaftete “Daisy/Melange” stets Verluste, fungierte aber als Werbeträger für die unspektakuläre, aber gewinnbringende Sanitärwarenerzeugung der Wilhelmsburger. Zur Frage der farblichen Kombinierbarkeit von Daisy gibt es zwei Antworten. In den zeitgenössischen Katalogen und Broschüren werden Tassen und Untertassen stets zu gleichfarbigen Ensembles zusammengestellt. Ich aber meine: Erlauben Sie sich, was Ihnen gefällt!

www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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