Du bist gebenedeit unter den Frauen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 32/2015.

Liebe Frau Andrea,
trotz katholischer Erziehung kann ich mir nicht erklären, warum bei Hochzeiten so oft das „Ave Maria“ gesungen wird. Was hat denn diese jungfräuliche Jüdin, deren Sohn nicht dem Samen ihres Verlobten entspriessen wird, mit dem katholischen Sakrament zu tun, dessen einziger Zweck es ist, ehelich gezeugte Kinder in die Welt zu setzen? Für klärende Worte wäre ich dankbarst.
Ganz altmodisch per E-Mail,
Christian Goldstern (was dem Aufmerksamen auch unlogisch klingen mag)

Lieber Christian,

die sachkundigen Instanzen der katholischen Kirche sind gar nicht glücklich über den galoppierenden Einsatz von Ave-Marias bei Vermählungen. Die bekannteste Version wird Johann Sebastian Bach zugeschrieben. Tatsächlich liegen die Dinge komplexer, stammt doch besagte Vertonung von Charles Gounod, der das erste Präludium aus Bachs Wohltemperiertem Klavier unter Einschub mehrerer zusätzlicher Takte mit einer berührenden Singstimme versah und als Text das lateinische Grundgebet der katholischen Kirche, das ‘Ave Maria’ – unser ‘Gegrüßet seist du, Maria’ – verwendete. Zur jüdischen Mame gesellt sich in dieser Anrufung auch noch ein semitischer Zuruf: “Ave” (eigentlich „Hawe“) stammt aus dem Phönizischen und heisst “Lebe!” Als wäre dies der Verwirrungen noch nicht genug, zirkuliert noch ein anderes Ave Maria durch die Vermählungsfeiern – von manchen wird es gar für das gleiche Lied gehalten. Es handelt sich dabei um das 1825 von Franz Schubert komponierte Lied ‘Ellens dritter Gesang’ (D 839, op. 52 Nr. 6) aus dem Liederzyklus ‘Das Fräulein vom See’. Das oft als ‘Schuberts Ave Maria’ bezeichnete Stück basiert auf Walter Scotts Gedicht ‘Lady of the Lake’ und hat mit der Gottesmutterhuldigung nur den Texanfang und Refrain gemein. Dies führte zu häufiger Verwendung des Lieds als Hochzeitshymne. Pfarrer bestehen meist auf dem lateinische Text des Ave-Maria-Gebets, die Schubertversion ist vielen Priestern zu profan: „Ave Maria! Jungfrau mild / Erhöre einer Jungfrau Flehen / Aus diesem Felsen starr und wild / Soll mein Gebet zu dir hinwehen. / Wir schlafen sicher bis zum Morgen, / Ob Menschen noch so grausam sind. / O Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen, / O Mutter, hör ein bittend Kind! /Ave Maria!”

www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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