Produkte für die Wutoma

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 18.10.2014.

Schnitzelland hat eine neue Identifikationsfigur: Die Wutoma. Die zornige Weisshaarige im Sonntagsdirndl füllt jene Lücke, die Kleinkunstmime Düringer und Knopferlharmoniker Gaballier durch Präsenzpermanenz erst geschaffen haben – die ältere Dame aus höhergelegenem Hause mit tiefsitzendem Groll. Wurde das Genre der Wutbürgerei traditionell von testosteronbefeuerten Bühnenprofis ausgefüllt, gibt es momentan Konjunktur für die wütende ältere Frau aus dem Volk. Mit dem Aufstieg der Rauriser Altwirtin – Frieda Nagl betrieb vor der Überantwortung der Geschäfte an die zornige Tochter das launig-lauschige Hotel Alpenrose – ändert sich auch das Paradigma im Wutgeschäft. Bisher nährte sich das Zürnen weitgehend aus privatem Quell. Die Aufregung war allgemeiner Natur (Düringer) oder spezieller (Gabalier). Sie galt dem dumpfen Aufschrei gegen die Obrigkeit und dem schrillen Wettern gegen die Korrektheit. Wutoma Nagl hingegen betritt ein neues Feld. Ihr Unmut speist sich aus geschäftlichem Ungemach. Der Alpenhotelerie werde zuviel in die Töpfe geschaut, heisst es, den Gastrobauern gehe es ans Eingemachte. Der Staat mische sich zuviel ein, lautet der Ruf. Sackle die Besitzenden aus und bediene die Armen. Das hörten Volk und Krone und beide riefen nach mehr. Die Wutoma setzte sich vors Tonband, der Ghostwriter steisste ein Buch. Im grössten Kleinformat der Welt bespielt Frieda Nagl jetzt die Ressentimentkolumne. Oder lässt spielen. Dabei ist das alles nicht so neu. Neu ist die handelnden Person. Das Genre des tobenden, aber geschäftemachenden Regierungskritikers hatte einst der Wutjörg ins Leben gerufen und zu bitterer Blüte gebracht. Man muss nicht bis in die Zeiten der Bauernkriege und der tristen Geschichte des österreichischen Protestantsmus gehen, aber man kann und man soll, um zu verstehen, das die Decke der Gemütlichkeit eine nur dünne ist. Ebenfalls alt ist der Schrei nach Gerechtigkeit. Ihn stossen jene besonders gerne aus, denen das Schicksal verlässlich gut mitgespielt hat. Das Boot ist voll, kreischen die Wutösterreicher, auch wenn sie mitten auf der Alm stehen.

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